Mittwoch, 19. Juli 2017

To the Bone

Als positiver Nebeneffekt hat der Film mich schon einmal davon abgehalten, nach dem Sport noch eben die Nudeln von vorgestern zu verspeisen – möglicherweise mit positiven Auswirkungen auf meine Gesundheit, mindestens aber auf meine sportliche Leistung (na, welchen Sport betreibe ich da so altersunangemessen übermotiviert? Wer richtig tippt, bekommt mein Rezept für Nudeln mit Zitronenhuhn…)

Und ich weiß natürlich, dass dieser Beginn auch schon wieder ein Beispiel für ignorantes Nicht-Verstehen und Verharmlosung der Problematik Anorexia Nervosa ist, aber scheiß drauf was soll’s.

Sicher sieht sie gut aus, solange der Körper weitgehend bedeckt ist. Ist das zu wenig Abschreckung? Zu viel Attraktivität? Am Ende ist mal wieder jeder selbst für sich verantwortlich.

In „To the Bone“ geht es um Magersucht. Heldin Eli ist künstlerisch begabt und lebt in einer wirklich wilde Patchwork-Familie: soweit ich es verfolgen konnte sind das a) eine genetische Mutter, b) deren Frau (Ehe für alle! Juhu!), plus c) die (logorrhoesche) zweite Frau ihres Vaters und c) die liebevolle kleine Stiefschwester, die genervt ist, dass sich alles um die Große dreht. Der d) Vater lässt sich (running Gag des Films) IMMER im letzten Moment telefonisch entschuldigen wenn es um das Leben seiner Tochter geht – wahrscheinlich geht ihm das einfach zu nahe, schnief....

„Da sind ziemlich viele Mütter hier im Raum“

Der Film erzählt in ruhigen Einstellungen, alle Darsteller sind anmutig und sympathisch, die Heldin ist so außergewöhnlich begabt, wie man es selbst vielleicht gern wäre, sogar für die verwirrten (Mütter) und (abwesenden) Väter wird um Verständnis geworben. Deshalb operiert „To the Bone“ immer an der Kante zum „Pro-Ana“-Film, einer Bewegung, die Magersucht als wünschenswertes oder zumindest gleichwertiges Verhalten darstellt. Hauptdarstellerin Lily Colins (ja, die Tochter von Phil Colins) spielt intensiv und glaubwürdig. Sie ist auch der Sicherheitsgurt des Films: selbst mit einer Magersucht-Vergangenheit sagt sie zur Verherrlicht-der-Film-die-Magersucht-Kontroverse: „This was something I needed to talk about and bring to the attention of more people […] It is still considered quite taboo to talk about…“. Naja, für mich ist das allein noch keine schlüssige Argumentation, aber es kann nicht jede Schauspielerin Jodie Foster oder Emma Watson sein.

Die Stärke des Films ist in meinen Augen, dass er dem Phänomen sein Rätsel lässt. Eli antwortet vor dem Ganzkörperspiegel auf die Frage ihrer Mutter „Findest Du das eigentlich schön“ schlicht mit „Nein“. Ohne Erklärung und ohne Ausflüchte. Ein Rätsel, wie gesagt.

Fazit: Ein edukativ wertvoller und zugleich unterhaltsamer Film, der den Empfindsamen unter uns die Augen schon mal etwas feucht werden lassen kann. Für mich eine glatte ZWEI

P.S.: Bin runter auf 72 kg! Und ein Freund hat vor einer Woche angemerkt „dass ich ja wohl auch ziemlich viel Krafttraining machte“ – das freut den Waschbär!

P.P.S.: Natürlich reine Männerdiskriminierung und auch ein übles Klischee, dieser Vater, der zuverlässig anruft, um zu sagen, dass er zur Familientherapiesitzung jetzt doch nicht kommt. Aber lustig!

P.P.P.S.: Ja, ich weiß, was Anexoria Athletica bedeutet. 

Freitag, 24. Februar 2017

Still Alice

Linguistin Alice unterrichtet an der Uni und bildet sich derartig etwas ein auf ihr Super-Brain, dass schon das Zuschauen wehtut. Da kommt es besonders ungelegen, dass ihre leichte Vergesslichkeit vom Arzt als galoppierende Demenz diagnostiziert wird. 

Alice sagt ihren Studenten, wo es lang geht.
Unterhaltsam, blitzgescheit und streng

Als Studenten sich beschweren und sie den Job verliert, plant sie einen elaborierten, App-basierten Selbstmordplan per Video-Tutorial, der ihr späteres dementes Selbst töten soll, sobald sie die drei Fragen des Tages nicht mehr beantworten kann.

Entweder man kommt nicht mehr aus dem Sessel hoch, oder man findet man vom Joggen nicht mehr heim. 

Cooles Ding und einer Professorin würdig. Funkt nur nicht, weil sie ihrem alten schlauen Selbst im Video nicht mehr folgen kann. Dann fallen ihr noch die Todespillen runter. Ist das gut oder schlecht?

Zu erwähnen ist noch: diese Form der frühzeitigen Demenz ist erblich. Man kann testen, ob mit dem Denken mit 50 Schluss sein wird. Töchterchen ist nicht begeistert.

Es gibt noch erwähnenswerte Nebenkonflikte: Wie gehen die Kinder mit der Nachricht einer vererblichen, unheilbaren Krankheit, die ihnen nach und nach das Selbst rauben wird, zurecht? Wie reagiert der liebende Mann auf die Ausfälle und die Aggressivität der kranken Gattin? Gibt es Navis für Demente?

Nicht denken heißt nicht, nicht fühlen.

"Still Alice" ist ein sehr berührender Film. Natürlich fehlen bedauernswerterweise selbst die grundlegensten Verfolgungsjagden (und Laserkanonen habe ich auch keine gesehen), aber emotional ist alles drin, was einem das Wasser in die Augen treiben kann. Wer über 50 ist (die Einschläge kommen näher!) oder kranke Verwandte hat, wird sich der Wirkung nicht entziehen können - Nachdenklichkeit garantiert.

Lobend zu erwähnen ist übrigens die unglaublich gute und unglaublich sentimentale Nummer "If I had a boat" von Lyle Lovell. (Ist fester Bestandteil meiner Blue-Mood-Playlist). 

P.S.: 
Nach Durchsicht hat meine liebste Demenz-Fachfrau doch ein paar Einwände:
  1. Nicht-mehr-Joggen-können ist doch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ein altersgemäßes körperliches Problem (Bildunterschrift ist korrigiert)
  2. Der Beitrag über  ist im Vergleich zu meinen Artikeln über Filme der leichten Muse wie "Star Wars" eher kurz.
  3. Die Durchführung des App-basierten Selbstmordplans scheint meiner Liebsten nicht realistisch dargestellt. Wahrscheinlicher sei, dass die demente Alice mehr Schwierigkeiten hat, den Anweisungen der früheren, gesunden Alice zu folgen und insbesondere nicht selbsttätig wieder die Treppe heruntergeht, um etwas Vergessenes zu holen.

Freitag, 17. Februar 2017

Kugel am Bein

Dass die elektrische Fußfessel unseren mörderisch-muselmanischen Weihnachtsmann Amri nicht davon abgehalten hätte, mit dem Laster 27 Menschen zu töten – geschenkt. Dass in Frankreich am 26. Juli 2016 in Saint-Étienne-du-Rouvray ein Attentäter mit Fußfessel einen Priester in der Kirche ermordet hat – sei‘s drum.

Der kleine Adel Kermiche mochte die Simpsons, Rihanna, trieb viel Sport. Ich sehe mir gerne die Kinderfotos unserer Terroristen an. Dazu: Wusstet ihr, dass Adolf Hitler in der Schule zeitweilig in der Bank neben Ludwig Wittgenstein saß? Kein Witz! Vielleicht mochten sie sich ja sogar?

Darf man sich mit solchen Kleinigkeiten aufhalten, wenn unseren Politikern von halb-links bis rechts eine leuchtende und sichere Zukunft endlich zum Greifen nah scheint? 

Die Polizei wird sich (zumindest in Deutschland) bald nicht mehr mit störenden und langwierigen Ermittlungen aufhalten! Gerichte werden entlastet: keine umständlichen Prozesse mehr, in denen die Beschuldigten sich mit Bauernschläue und mit skrupellosen Rechtsverdrehern der segensreichen Härte des Gesetzes entziehen wollen! Staatsanwälte brauchen wir bald auch nicht mehr, und die Einsparungen in der Prozesskostenhilfe der notorisch mittellosen Immigranten-Unterschichtler lassen sich noch gar nicht absehen!

Nicht alle Dinge, die harmlos und klein aussehen sind es auch. Im Bild: eine elektronische Fußfessel an einem Strand in Californien

Und überhaupt: es ist an sich ja schon eine völlig unverständliche Lücke unseres Strafgesetzes, dass bisher eine Tat (oder zumindest die Vorbereitung, oder wenigstens die Absicht) einer Straftat vorliegen – nein, noch schlimmer: bewiesen – werden muss, bevor dem Bösewicht (und man kennt ja seine Pappenheimer, oder?) die Hölle heiß gemacht werden kann. Was ist aus dem guten alten „20 Jahre schwerer Kerker bei Verdacht“ geworden?

In Zukunft wird das wieder alles anders. Erst einmal fangen wir mit der Fußfessel für „Gefährder“ an. Ein „Gefährder“ ist aber nicht jemand, der wegen einer staatsgefährdenden Straftat verurteilt worden ist – ein „Gefährder“ ist bald, wen die Polizei dafür hält.

Jetzt grade sind es ja im wesentlichen Moslems, und die kommen uns ja generell irgendwie verdächtig vor. Und wenn einer in die falsche Moschee geht oder mit den falschen Leuten verkehrt oder auf das falsche Konto spendet – schwupp, ab in die Liste und ran mit dem Fangeisen an den Fuß. (Diese Fußbänder sind ja schon recht auffällig, aber sollte man sie nicht in leuchtorange oder leuchtgelb anmalen und auf der Kleidung befestigen? Dann wüssten redliche Bürger nicht nur im Sommer oder im Schwimmbad, mit wem sie es zu tun haben und könnten entsprechend reagieren oder besser noch: vorbeugen)

Das Gefährder-Konzept besticht ja auch wirklich durch seine universelle Anwendbarkeit: Sind die Mitglieder einer mehrfach auffälligen Motorradgang nicht auch irgendwie „Gefährder“? Und sollte man da nicht auch vorbeugend tätig werden? Zumal die Fußfessel auch dann Alarm geben kann, wenn die Geschwindigkeit des Delinquenten die sechs Stundenkilometer überschreitet… da wird der bollerige Chapter-Präsi ganz schnell zum friedlichen Fußgänger!


Hooligans hauen sich. Nicht schön. Und eine Belästigung der Bevölkerung ist nicht auszuschließen. Andererseits: Was sich erwachsene Menschen in beiderseitigem Einvernehmen (an-)tun, geht den Staat nichts an.

Aber reden wir mal über Fußball-Fans: Da gibt es ja schon die Stadiumsperrliste – ein guter Anfang, betrifft aber nur einen sehr, sehr kleinen Teil des Lebens. Außerdem hindert es nicht daran, sich nach dem Spiel mit Gleichgesinnten zum Raufen zu treffen. Mit der richtigen Fußfessel-Einstellung ist damit Schluss: der Chef der „Green Street Elite“-Hooligans sitzt künftig am Samstagnachmittag gemütlich mit Omi zuhause (was Omi freut) und keiner wird verletzt.

Vor meinem geistigen Auge entfaltet sich ein wunderbares Bild des Friedens und des Anstands, wie ich es sonst nur von den Magazinumschlägen der Zeugen Jehova kenne:

Sexualstraftäter gehen weite Umwege um den Kindergarten, Hooligans kicken jetzt selbst auf dem Ascheplatz (weil sie nicht mal mehr in die Nähe eines Stadions kommen dürfen). Alle obskuren Moscheen in Deutschland haben den Hass-Prediger-Betrieb eingestellt und führen nur mehr christliche Besuchergruppen herum, die sehen wollen, wie es früher einmal war.

Als nächstes würde ich dann die ganzen Gefährder der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ins Visier nehmen: Mitglieder der NPD (alle Mitglieder fußfesseln ist jedenfalls einfacher als die Partei zu verbieten), Anarchisten (haben Sissi ermordet), Kommunisten (wahnhaft), Immigranten (sollen sie doch erstmal für fünf Jahre zeigen, dass sie auf unserer – also der Seite der Freiheit – stehen).


Also gut, das ist jetzt eher Oldstyle: Traditionelle Chain-gang in einem amerikanischen Arbeitslager. Bitte achtet auch auf die rassischen Merkmale der abgebildeten Personen.

Letztlich gehen mir aber auch Betriebsräte manchmal quer (und ich bin bestimmt nicht der einzige), und Kapitalisten über 100.000 Euro Jahreseinkommen sollte man auch am Betreten ihrer Unternehmen hindern.

Auf keinen Fall vergessen: alle Journalisten, die nicht bei der staatstragenden Presse, Rundfunk oder Fernsehen beschäftigt sind! Rechtsanwälte sowieso (wenn es die überhaupt noch gibt). Da stellen wir am besten die Fessel auf „Maximal Entfernung von der Basisstation: 5 Meter“.


Aus der Serie "Suits": Nur zwei böse, böse Anwälte. Wir können nicht mit ihnen, aber ohne können wir auch nicht.

Das wird eine schöne, neue Welt, in der alle Gefährder unter Kontrolle sind. Die redlichen Bürger, die a) keiner gearteten Randgruppe zugehören, die b) kein spezielles Interesse haben und deren c) politisches Interesse sich komplett im Spektrum zwischen Grün und CSU bewegt, die können dann in Ruhe und Frieden leben. 

Wie früher, auf dem Dorf.

Freitag, 10. Februar 2017

Oldboy (2003)

Aggressiver Unsympath wird von seinem Bruder von der Polizeiwache abgeholt, wo er wiederholt versuchte, ins Faxgerät zu pinkeln. Auf dem Heimweg wird der Unsympath geklaut und für 15 Jahre in einem „Privatgefängnis“ untergebracht: einzige Unterhaltung ist das Fernsehen und die koreanische Skigymnastik, die ihn im Nebeneffekt in einen Nahkampf-Ninja verwandelt. 

Ohne zuviel verraten zu wollen: die bezaubernde Hye-Jeong spielt auch in einem verwickelten Vater-Tochter-Schwester-Drama eine wesentliche Rolle

Ungefähr 15 Minuten, bevor er sich Monte-Christo-mäßig durch die Wand gekratzt hat, kommt er frei. 

Der Rest des Filmes ist der Rache an denen, die ihn eingekerkert haben, vorbehalten: klingt fad, ist aber unterhaltsam und enthält ungefähr die best-choreografierte Kampfszene des Typs einer-gegen-alle, die die Filmgeschichte für uns bereithält. O-Ton meiner Liebsten: „So gefallen mir sogar Superhelden“.

Oben rechts im Bild: der Maurerhammer, der im Film gleich mehrfach Verwendung findet. 

Am Ende wird das Rätsel auch wirklich gelöst und es gibt eine sehr, sehr gemeine und blutige Szene (FSK-16? Ihr macht wohl Witze?) gegen die das Herausbrechen von Zähnen mit dem Maurerhammer (kommt auch im Film vor) komplett harmlos ist. Parental guidance recommended, aber strictly!

Da fragt man sich im Film nicht das erste mal, ob dass wirklich sein muss. Ich habe schon mehrmals den Blick abgewendet, weil ich das abschnippeln und herausbrechen von Körperbestandteilen echt nicht gut haben kann.

Im Ganzen ein Film, bei dem es keinen wundert, dass Tarantino ein Park-Fan ist: Böse, durchkomponiert, symbolbeladen, brutal. Absolut sehenswert für über-18-jährige. Allerdings machen einen die Tapeten irre!

Freitag, 23. September 2016

Toni Erdmann / Die Unfassbaren 2 / Captain Fantastic

Toni Erdmann

Supergehypter deutscher Film, der nach allgemeiner Kritikermeinung mindestens die goldene Bärenstechlorbeerpalme verdient gehabt hätte. Ich fand ihn ganz ok, aber nicht etwa bahnbrechend. (Also kein Vergleich zu „Viktoria“). Im Grunde geht es um eine Vater-Tochter-Geschichte: Lehrer-Papi ist ein bisschen einsam und rückt seiner Jung-Consultant-Tochter am Arbeitsort in Rumänien auf die Pelle. Als Stalker in unmöglichen Verkleidungen und zum Fremdschämen hässlich bewahrt er trotzdem (und das ist die eigentliche Stärke des Films) Ruhe und Würde und bekommt – ganz am Ende – die Tochter zurück.

Typisch deutscher Film, so wie Kaurismäki finnisch ist: Bisschen Kitsch, bisschen Klischee, aber mit Liebe gemacht. Kann man reingehen.

Wahre Liebe sieht anders aus: Romantik ist bei den Unternehmensberatern in "Toni Erdmann" nicht sehr ausgeprägt.

Die Unfassbaren 2

Um das naheliegende „Unfassbar schlecht“ komme ich hier leider nicht vorbei. Nachdem ich den ersten Teil (Magie! Seifenblasen!! Regebogenkotzende Einhörner!!!) so sehr gemocht habe, musste ich auch in den zweiten gehen, obwohl ich schon aus verschiedenen Quellen gewarnt worden war. Zu recht. Alles was am ersten Teil schön war, ist hier zuverlässig ins Lahme gedreht worden. Sogar die faszinierenden Hauptcharaktere sind in der Regie von Neuling Jon Chu zu  austauschbaren Hampelmännern geworden – ununterscheidbare, dummes Zeug plappernde Pappaufsteller, gespielt von Schauspieler-Imitatoren. Einzig Neuzugang Lola (Lizzy Caplan) darf reden wie ein Mensch, und das ist dann streckenweise wieder recht lustig. Leider ist auch die Story übermäßig verworren.

Das war nix, Mr. Chu. Bitte einen dritten Teil nur nach ausführlichem Nachdenken und dem vorliegen einer TÜV-geprüften Storyline. (Chu hat allein ZWEI Autobiografien von Justin Bieber gefilmt. Das muss doch nachdenklich machen)

Dieses vielversprechende Bild verspricht leider zu viel: Für einen Heist-Film ist der Plot von "Die Unfassbaren 2" zu flach

Captain Fantastic

Streckenweise gut gemacht: Intelligenter Außenseiter erzieht seine sechs Kinder nach eigenen Regeln in den Bergen Montanas, alle wachsen zu hochintelligenten, hochindividuellen Menschen heran. Als die Mutter sich im Krankenhaus wegen Depressionen das Leben nimmt, kehrt die Familie in die Zivilisation zurück und gerät mit quasi allem in Konflikt: Dem Gesetz, dem Opa, der Liebe und der Medizin. Weil „Lebe nach Seinen Regeln!“-Papa immer nur das Beste will, denkt er schließlich sogar darüber nach, die Kinder dem stockkonservativen Schwiegervater zu überschreiben. Am Ende wird alles gut.

Für meinen Geschmack etwas zu viel amerikanisches Pathos (da kann ich ja gar nicht drauf!). Die Kinder sind Zucker, Papa ist so schlau wie ich es gerne wäre (minus der Verstocktheit), Opa und Kirche sind für mich unverständlich (aber ist ja auch eine andere Kultur). Kann man, muss man aber nicht sehen.


In Bildern stark, in der Spannungslinie nicht ganz so schlüssig: In "Captain Fantastic" sind die Kinder der Star

Donnerstag, 2. Juni 2016

Money Monster

Regie: Jodie Foster. Cast: Julia Roberts, George Clooney, Caitriona Balfe. Was soll da schiefgehen? Und es ist auch nichts schiefgegangen. Selbst wenn man meine freundliche Voreingenommenheit gegenüber dieser begnadeten Schauspielerin abzieht, bleibt ein außergewöhnlich unterhaltsamer, Foster-typisch intelligenter Film mit vielen überraschenden (aber halbwegs logischen) Wendungen, einer Menge Humor und auch etwas Tragik. Film vom Feinsten!

Worum geht’s?

Weil in diesem Film die Wendungen der Geschichte wirklich eine tragende Säule und Quell einer Menge Spaß sind, halte ich ausnahmsweise mal mein Maul und erzähle nur das, das sowieso in jedem Artikel zum Film steht: Clooney gibt den extrovertierten Fernseh-Finanzguru, der sein Publikum mit (Halb-)Wissen, Showeinlagen und wöchentlichen „Finanztipps des Jahrtausends“ unterhält.


"17744 Jodiefoster" ist ein 1998 entdeckter Asteroid im Hauptgürtel. Jodie Foster spielte die Astronomin Eleanor Arroway im Film "Contact" von 1997. Mehr Ruhm bringt eigentlich nur noch ein persönlicher Mondkrater oder eine eigene physikalische Einheit.

Paketbote Kyle hat da was falsch verstanden und Oma ihr klein‘ Häuschen komplett in eine von Clooneys windigen Aktienempfehlung gesteckt – Pech, dass eben diese Firma direkt danach in den freien Fall übergeht. Für Kyle sind 60.000 Verlust schon eine Hausnummer. 

"In my home, we ritualize all of them. We do Christmas. We do Shabbat on Fridays. We love Kwanzaa. I take pains to give my family a real religious basis, a knowledge, because it's being well educated. You need to know why all those wars were fought."

Verärgert, aber ohne echten Plan sucht er Clooney mit einer Pistole und zwei Sprengstoffwesten im Studio auf, während Regisseurin Julia alles live weiter senden muss.

Clooney macht sich auch gerne mal zum Affen. Sympathisch, das.

Alles endet überraschenderweise vorhersehbar (und das ist hier wiedersinnigerweise kein Wiederspruch!) tragisch. Unterwegs aber wird viel gelacht!

Die "Der Steuerstand ist überfordert"-Szene liebe ich ja sehr, seitdem ich als Jugendlicher einen Film über Fluglotsen gesehen habe. Vergleiche dazu: "Black Hawk Down" und "Unstoppable"


Wie war’s?


WOW. Das war mal wieder so richtig gut. 

Das Kino stand kurz vor dem Szenenapplaus (für Kyles Freundin Molly). Der Film ist außerdem außerordentlich kurzweilig, und das auf mindestens drei Ebenen: a) Clooneys kontinuierliche Versuche sich aus seiner Sprengstoffweste heraus zu schwindeln, b) die Beobachtung, dass im Leben wirklich nie so läuft, wie Plan und Improvisation es nahelegen und c) die Furcht um das Leben aller Beteiligten, allen voran dem des reine Tors Jack, unschuldig-schuldiger Michael Kohlhaas und Ober-Looser zugleich.


Friendlys Schulnote: Eine EINS ohne Einschränkungen. Unbedingt sehen, lachen, Spaß haben und sich am Talent aller Beteiligten freuen. Die politische Botschaft (die ja so nahe lag wie ein Hundehaufen neben der Fahrertür) hat Foster übrigens erfreulicherweise umschifft – mir gefällt das.


P.S.: Jodie Foster heißt mit Vornahmen eigentlich nicht Jodie, sondern Alicia.

P.P.S.: Foster lernte mit drei Jahren lesen, war Jahrgangsbeste ihrer Abschlussklasse, Master in Literatur (magna cum laude) in Yale '85. Sie synchronisiert ihre französischen Filme selbst, spricht spanisch und deutsch und versteht italienisch. Sie ist Atheistin.

P.P.P.S.:  Hier sind ihre wichtigsten Filme:

  • Taxi Driver (1976)
  • Bugsy Malone (1976)
  • The Little Girl Who Lives Down the Lane (1976)
  • Freaky Friday (1976)
  • Candleshoe (1977)
  • Foxes (1980)
  • The Hotel New Hampshire (1984)
  • Five Corners (1987)
  • The Accused (1988)
  • The Silence of the Lambs (1991)
  • Little Man Tate (1991)
  • Sommersby (1993)
  • Maverick (1994)
  • Nell (1994)
  • Home for the Holidays (1995)
  • Contact (1997)
  • Anna and the King (1999)
  • Panic Room (2002)
  • Flightplan (2005)
  • Inside Man (2006)
  • The Brave One (2007)
  • Nim's Island (2008)
  • The Beaver (2011)
  • Carnage (2011)
  • Elysium (2013)
  • Money Monster (2016)

Samstag, 28. Mai 2016

Kiss Kiss Bang Bang

„Pulp Fiction“ gesehen und gesagt: Das kann ich auch. Ist leider doch nicht so einfach, du Westentaschen-Tarantino.


Na, wenigstens eine gute Figur im Film.
Oder ist das jetzt unsensibel?


Worum geht’s?

Wirr. Einbrecher wird für Schauspieler gehalten (nicht grade soooo originell: kam so oder anders in „Schnappt Shorty“, in „Kleine Haie“…) und soll dann bei einem Privatdetektiv in die Lehre gehen, um (Method-Acting) im Thriller glaubwürdig zu sein. Höchst unglaubwürdig, das Ganze…

Auf einer Party lernt er Harmony kennen, die er nicht als seinen Highschool-Schwarm erkennt (obwohl die Highschool-Zeit noch keine zehn Jahre zurückliegt… Logik ade). Die Polizei erzählt ihm später am Abend, dass Harmony Selbstmord begangen habe, worauf Harmony (Türchen-auf, Türchen-zu…) aufgeregt, aber unversehrt vor seiner Tür steht. Die Tote sei in Wirklichkeit ihre Schwester, nein, sie ist dann doch die Tochter des Film-Moguls, auf dessen Party sie sich wieder getroffen haben… Grrrrr!


Ja, ja... Die Herrschaft der bösen Männer. Gibt es eigentlich eine Strafe auf 'Einstellung klauen'?

Ganz am Ende war die falsche Tochter doch noch eine ganz andere Person und die Schwester hat sich umgebracht weil … [hier bitte selbst den unwahrscheinlichsten denkbaren Grund einsetzen].

Soweit zum konfusen Inhalt. Jetzt zum Film selbst (und das ist eher noch schlimmer):

Wie war’s?

Wenn es sowas überhaupt gibt, ist der Film „unfreiwillig unkomisch“. Erst hielt ich es für ein irgendwie unattraktives, aber aus irgendwelchen geheimen Gründen unerlässliches Stilmittel, dass alle Figuren ständig lahme Sprüche klopfen, aber wahrscheinlicher ist: der Regisseur hält diese Sprüche für witzig.

Wahrhaft unterirdisch wird es, wenn der Hauptdarsteller sich direkt ans Publikum wendet (und das tut er oft). Was soll das denn nun? Episches Theater für Arme? Für mich ist das so lustig wie "einen Witz erklären". Brecht und Piscator haben uns wenigstens nicht mit leerem Geschwätz gelangweilt.

Und als wäre das nicht alles traurig genug, haben wir es hier auch mit Zwischenüberschriften für die Filmabschnitte zu tun, es gibt alternative Enden… sogar der Abspann ist VOR dem Film, alles sehr tarantinoesk. Traurig, traurig, traurig.


Es gibt Regisseure, die halten es immer noch für progressiv,
wenn zwei Männer sich in ihrem Film küssen. Retarded!

Friendlys Schulnote: Mangelhaft, Fünf. (Und das nicht nur, weil ich heute schlecht drauf wäre). Diesen Film muss man nicht nur nicht sehen, den sollte man aktiv vermeiden. 

Ich will nicht verschweigen, dass die überwiegende Mehrzahl der Kritiker hier anderer Meinung sind: schließlich waren es die 85% positiver Bewertungen auf „Rotten Tomatoes“, die mich darauf gebracht haben, den Film zu sehen… Hilft aber nix: ich habe Recht, die anderen haben alle was am Kopf.

P.S.: Am Tag drauf habe ich „Unter Beobachtung“ gesehen. Dieser Film ist auf jeden Fall vorzuziehen! Und gestern "Money Monster", und der ist SUPER. Jodie rules!

P.P.S.: Mein jüngerer Sohn findet „5“ zu hart. Gefallen hat ihm der Film aber auch nicht. Mein Ältester ist nach zwei Dritteln rausgegangen.

P.P.P.S: Unglaublich, aber wahr: Shane Black hat bei "Iron Man 3" Regie geführt. Michelle Monaghan war "Zombie 406" in meinem geliebten "Zombieland" und spielte auch in der Super-Serie "True Detective" mit.

Dienstag, 26. April 2016

Snowpiercer

„Das ist ein Schuh. Wenn der Schuh auf dem Kopf ist, ist etwas falsch. Ich bin der Hut, ihr seid der Schuh“. Mit Metaphern lässt sich alles begründen, wenn man sich erst einmal auf das schmale Brett falscher Voraussetzungen begeben hat. In diesem wirklich abgefahrenen Endzeit-Science-Fiction demonstriert Ministerin Mason (tip-top mal wieder: Tilda Swinton, die ja viele unglaublich schlechte Filme gemacht hat - ich sage nur "Narnia" - die sich aber als Camping-Chefin-From-Hell in "The Beach" in den Fries der Unsterblichkeit eingemeißelt hat) den Untermenschen in den hinteren Waggons, wo ihr Platz ist: da wo es eng, dreckig und stinkig ist und wo man sich von gepressten Schaben ernährt.

Ministerin Mason weiß ihre Pappenheimer einzuschüchtern. Kann man einen gefrorenen Arm eigentlich mit dem Hammer zerschmettern?

Die Story: in einer Abfolge von alptraumhaften Sequenzen arbeiten sich die Unterdrückten vom Zugende bis zum großen Erbauer im Führerstand vor, dies alles in einem unaufhörlich mit Höchstgeschwindigkeit kreisenden Zug, der einzigen Insel der Lebensfähigkeit in einer komplett vereisten Welt. Wer das für unwahrscheinlich hält: recht hat er!

Einziges halbwegs attraktives Gesicht in dieser Welt voll Schmutz und Armut: Die Tochter des Zugtüren-Konstrukteurs ist drogenabhängig

Ist aber auch egal: in einer Mischung von „1984“ und „Black Hawk Down“ (mit Nachtsichtgeräten) geht es ordentlich rund und ein paar Leute, die es verdient haben, sterben bös und blutig. Das ist mindestens unterhaltsam – und für diejenigen, die für Zeitgeschichte interessieren, sind auch ein paar Schmankerl zum Thema Diktatur, Gehirnwäsche an Kindern und Korumpierbarkeit der Unterdrückten dabei.

Wenn man selbst mangelhaft bewaffnet einen Raum betritt, sieht man solche Herren eigentlich nicht so gerne. 


Friendlys Schulnote: Im Ganzen ein „GUT bis GUT-PLUS“. Rasante Action, alptraumhaft a la „Brazil“. Am Ende verliert die Story etwas an Schwung und ein paar Nebendarsteller sind sparsam motiviert. Dennoch: sollte man sehen, wenn man das Genre mag. 

Und hier sind endlich die Helden: John Hurt (links), Chris Evans (spielt meist Superhelden, z.B. Captain America) in der Mitte, Jamie Bell (aus Billy Elliot) rechts

P.S.: John Hurt, der Hauptdarsteller des "weisen alten Führers" in Snowpiercer hat seinerzeit in "1984" die Hauptrolle des Winston Smith gespielt. Ich sage nur: Einmal Dystopie, immer Dystopie.

P.P.S.: Jajaja, es heißt Dystopie, nicht Dystrophie. Zwei Fehler in einem Wort! Das ist ja grauenhaft! (Danke für den Hinweis)

Montag, 15. Februar 2016

Suffragetten - Taten statt Worte

Mal wieder Zeit für etwas politische Bewusstseinsbildung  – ich will die Gelegenheit nicht versäumen und gehe mit meinen Kindern in „Suffragetten“. Unglücklich gewählter Titel irgendwie: ich weiß nie so genau, wie man das ausspricht, und es ist doch auch so ein altertümliches und ungebräuchliches Wort....

Die Einstellung zur Staatsgewalt ist sehr davon abhängig, ob man grade selbst im Polizeigriff steckt

Ungünstig auch, weil das Wort ein Beispiel dafür ist, dass eine Gruppenbezeichnung von den Betroffenen nicht vom Negativen ins Positive gedreht wird (wie „schwul“) sondern sich irgendwie in die Gegenrichtung entwickelt. Sei’s drum: Ordentlicher Film, informativ und sogar mit mindestens EINER großen Frage, über die es lohnt, sich ein paar Gedanken zu machen (doch dazu später).

Worum geht’s?


London 1912: Maude ist Vorarbeiterin in der Wäscherei, in der sie seit ihrem 12ten Lebensjahr arbeitet. Der Arbeitsalltag ist frühindustriell: Chemikalien greifen Lungen und die Haut der Wäscherinnen an, Arbeitsunfälle mit kochendem Wasser sind die Regel und sexuelle Belästigungen und Missbrauch Minderjähriger durch die Vorgesetzten (Männer) werden hingenommen statt verfolgt. Gesetze und Rechtspflege benachteiligen Frauen: ihre Interessen sollen nach herrschender Auffassung durch Väter, Ehemänner und Brüder wahrgenommen werden.

Die Uraufführung des Films gab Anlass zu Protesten gegen die Kürzung von staatlichen Mitteln, die häuslicher Gewalt vorbeugen sollen.

Als Vertreterin für eine Arbeitskollegin, die von Ihrem Mann am Vorabend verprügelt worden war, spricht Maude vor Schatzkanzler und Parlament über die Arbeitsverhältnisse in der Wäscherei und wird in anschließenden Raufhändeln von der Polizei zusammengeschlagen und verhaftet. Der Freilassung folgt die soziale Ächtung durch Nachbarn und durch Mann Sonny: Frauen verhalten sich nicht so, und besonders werden sie nicht verhaftet.

Welchen Weg soll Maude gehen? Sich der Repression entgegenstellen und mit den Frauenrechtlerinnen, die sie im Gefängnis kennengelernt hat, für das Wahlrecht kämpfen? Oder zurückstecken, sich die Anerkennung von Mann und Umgebung zurückerarbeiten?

Maude versucht natürlich beides. Sie verspricht ihrem Mann Wohlverhalten und Gehorsam und geht heimlich weiter zu den Versammlungen der Suffragetten.

Keine Lüge lebt ewig: Maude wird wieder eingesackt und im Polizeiwagen nach Hause gefahren. Sonny schmeißt sie raus und enthält ihr den gemeinsamen Sohn vor – im Einklang mit dem Gesetz der Zeit. Er versucht die Sache allein zu schaukeln, kriegt es aber nicht hin – wo das soziale Netz seiner Frau erlaubt, den Sohn auch mal gegen schmales Geld von der Nachbarin betreuen zu lassen, ist Sonny nun ein Geächteter ohne Freunde. Er gibt den Sohn zur Adoption frei.

Manchmal macht Revolte auch Spaß: Bitte achten Sie auf den Gesichtsausdruck der Darstellerin

Maude leidet, radikalisiert sich, jagt mit ihren Freundinnen Briefkästen in die Luft und schneidet Telegrafendrähte durch. Als sie den Landsitz eines Ministers mit einer respektablen Explosion hochgehen lassen, werden sie als die ‚üblichen Verdächtigen‘ verhaftet. Der Kommissar versucht Maude zum Spitzeldienst zu überreden, scheitert aber an ihrer bereits gefestigten Sicht der Dinge.

„Gesetze bedeuten mir nichts. Ich hatte bei der Gesetzgebung keine Stimme“

Maude und ihre Mithäftlinge treten in den Hungerstreik und werden zwangsernährt – eine Maßnahme, die (auch heute noch – siehe die RAF der 70er Jahre) unweigerlich in Brutalität und Folter ausartet. Die britische Presse wird von der Regierung dazu veranlasst, die Aktionen der Frauenrechtlerinnen ebenso wie die Zwangsernährung zu verschweigen oder herunterzuspielen.

Zwangsernährung ist nix Schönes. Der Gefangene wird nicht deshalb so traktiert, weil man ihm das Leben erhalten will, sondern weil man die Auseinandersetzung mit der Tatsache scheut, dass er lieber stirbt, als die Rechtmäßigkeit seiner Gefangennahme zu akzeptieren

Um ein Zeichen zu setzen, das diese Zensur nicht unterdrücken kann, wollen Maude und Emily Davison (eine historische Figur) beim königlichen Derby ein Banner der Frauenrechtsbewegung entfalten. Sie werden am Zugang zur Tribüne gehindert, schließlich tritt Emily in die Rennbahn, um das Banner an einem der daher jagenden Pferde zu befestigen. Das Pferd (in diesem Fall das Pferd aus dem Gestüt des Königs) läuft sie um, sie stirbt. Die Beerdigung unter vieltausendfacher Beteiligung macht das Anliegen der Frauenrechtlerinnen in ganz England bekannt.

Wie war’s?


Wie immer bei den Biopics (die ich ja so sehr liebe) bin ich geneigt, nicht über die Filmkunst zu schreiben, sondern über die Missstände, die im Film geschildert werden. Unvorstellbar, dass es in den meisten europäischen Ländern bis zum ersten Weltkrieg gebraucht hat, bis die Frauen endlich gleichberechtigt wählen durften! Noch unvorstellbarer, dass es in der Schweiz bis 1971 gedauert hat! Dass in unserem Freundesland und Bündnispartner Saudi-Arabien das Frauenwahlrecht sich zurzeit lediglich „in Prüfung“ befindet, verwundert mich dann auch nicht mehr.

Und weil es wirklich ein Eins-A-Medien-Event seiner Zeit war, ist auf uns auch eine historische Aufnahme gekommen. Emily Davison, Pferd, Jockey, alle links am Boden.

Müssen wir jetzt historisches Verständnis haben, weil die Zustände von 1912 sich „aus der Zeit“ erklären? Oder beweist das einfach nur, dass wir uns einfach immer wieder jede Art von bestehenden Verhältnissen als die beste und vernünftigste aller Welten weismachen lassen?

Welche Missstände werden spätere Generationen bei uns sehen? Wird es die Diskriminierung der ganzen Sonder-, Misch-, und Zwischengeschlechtsempfindungen, aka „Genderwahn“ sein? Oder der Unterschied, den wir zwischen den Rechten von Deutschen und Nichtdeutschen machen? Oder werden es die fehlenden Tierrechte sein? Oder das Wahlrecht für Kinder?

Zugegeben, mir kommen jetzt alle diese Themen abwegig vor, wahrscheinlich ebenso abwegig wie dem Schatzkanzler das Wahlrecht für Frauen.

Bei allem Geschimpfe über Lohnstückkosten, Gewerkschaftsmacht und ebenso unkündbare wie arbeitsunlustige Mitarbeiter sollten die Unternehmer nicht vergessen, wie es in den schlechten alten Zeiten mit der Arbeitssicherheit, der Absicherung gegen Willkür und der Gleichstellung von Mann und Frau ausgesehen hat.


Und jetzt der versprochene tiefsinnige Gedanke im Film (ist jetzt schon der zweite, nach dem Beitrag zur Zeitgebundenheit unserer Auffassungen): Im Film sagt der (böse) Geheimdienstler der (lieben) Rebellin: „Sie benutzen Euch. Sie geben euch allerhand, womit ihr Euch schmücken könnt und damit ihr euch besser fühlt und womit ihr aus eurem armseligen Leben für eine Zeit lang fliehen könnt. Aber für sie seid ihr nur Kanonenfutter, sie werden euch wegwerfen, wenn ihr euren Zweck erfüllt habt.“ Da muss ich erstmal drüber nachdenken. Wie oft sind die einfachen Gefolgsleute für die Anführer nur Mittel zum Zweck? Manchmal, Immer, Nie? (Zutreffendes bitte ankreuzen).

Friendlys Schulnote: eine ZWEI. Solide gedrehtes Manipulations-Melodram mit sympathischer Hauptdarstellerin und einigen bewegenden Momenten. Unmotiviert getrübt erscheint mir allerdings die Beziehung zwischen Maude und Sonny: Wenn sie sich so augenscheinlich gut verstehen, warum reden sie nicht auch über Maudes neue Rolle als Aktivistin? Aber was weiß ich schon, Menschen sind komisch.

P.S.: Wirklich, wirklich witzig finde ich die Idee, an alle aus dem Gefängnis entlassenen Kämpferinnen Ordensbänder zu verteilen. Die Anzahl der Clips bestätigt die Anzahl der Gefängnisaufenthalte für ‚die Sache‘. Das mache ich auch so, wenn ich mal an der Spitze einer Bewegung stehe, hihi…

P.P.S.: Kann übrigens auch als Kommentar zur ‚Lügenpresse‘ Diskussion gesehen werden, diese Selbstzensur der Zeitungen im Film. Man wollte die ‚Propaganda der Tat‘ durch Ignorieren aushungern, so wie manche Journalisten heute denken, sie sollten besser nicht berichten über .. ja was denn? Nicht berichten über Brandanschläge gegen Flüchtlingsunterkünfte, damit es keine Nachahmungstaten gibt? Oder nicht berichten über Straftaten von Immigranten, damit es keine Stimmung gegen ‚den Flüchtling an sich‘ gibt?

Ich möchte mir ausnahmsweise einmal eine entschiedene eigene Meinung in einer politischen Frage erlauben: Die Wahrheit muss auf den Tisch. Zahlen, Daten Fakten. Dann erst die Auslegung, die Interpretation, das Abwägen und Vergleichen. 

Sind Flüchtlinge krimineller als Deutsche gleichen Alters und Geschlechts? Warum werden bei so wenigen Brandanschlägen die Täter ermittelt? Stimmt es, dass die Silvestertäter von Köln nicht angeklagt werden können? Dinge werden nur besser, wenn man drüber nachdenken kann, und nachdenken kann man nur, wenn man weiß, was der Fall ist. Jede ‚voreilende‘ Rücksichtnahme und Auswahl der Fakten egal in welcher Richtung ist nicht nur unfair, sondern schädlich für das Gemeinwesen.

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