Liebevoll - das ist das erste, was
mir zu diesem Film einfällt. Wer immer diesen Film ausgestattet hat, er hat
sich mal so richtig Mühe gegeben. So schöne Hosen, mit dem Bund eine deutliche
Handspanne höher als alles, womit man sich heutzutage auf die Straße traut!
Dreidimensionale Computerspiele, in den man Track-and-Field-like einen Sisyphus
auf Schneegipfel hinauftreibt! Die ganze Kulisse von Shanghai im Hintergrund!
da stimmt einmal alles (und das ist auch das genaue Gegenteil vom "Da
stimmt nix"-Percy Jackson).
Theodore ist nicht grade eine Stimmungskanone in diesen Tagen: Ohne Frau in Shanghai |
Worum geht's?
Um die Liebe. Unser ganzes Leben
verbringen wir zwischen den Polen Autonomie und emotionaler Bindung und
versuchen beides zu haben. Liebe ist, den anderen so anzunehmen, wie er ist: gebunden, aber
frei. Der Film "Her" diskutiert dieses Thema wie kein anderer Film,
den ich kenne. (Na gut: die Liebesgeschichte von Jon Schnee und Ygritt kommt
nahe dran, aber das ist ja auch ein Buch).
Haupdarsteller Theodore schreibt
als Broterwerb gefühlvolle Briefe für andere Leute. Privat läuft es nicht so
gut: seine Frau und Jugendfreundin hat sich von ihm getrennt. Er ist - trotz
gelegentlichem Plausch mit Freundin und Nachbarin Amy - einsam.
Eigentlich sah alles gut aus mit dem blind date, aber Theodore schwächelt in der Schlussphase |
Mit dem Kauf eines
"intelligenten und emotionalen" Betriebssystems (Kosename
"Samantha") ändert sich das. Samantha ist eine Art
"Über-Siri": Sie versteht nicht nur jedes Wort, sondern interessiert
sich auch dafür. Für Samantha ist Theodores Leben neu und interessant, Für
Theodore ist Samantha der Gesprächspartner mit nicht versiegender Zuneigung und
viel Respekt.
So verbringt er seine Freizeit
kontinuierlich mit einem Headset-Stöpsel im Ohr und im Gespräch mit seiner
neuen Freundin. (Samanthas Stimme ist im Original Scarlett Johannsen, in der
Deutschen Fassung: Luise Helm. Diese Stimme ist faszinierend).
Isabella tut es für die Sache - und um endlich die wahre Liebe zu erleben. Vielleicht die tragischste Figur in diesem an tragischen Figuren nicht grade armen Film |
Mit Samantha kann Theodore über
alles reden - mit der Zeit werden die Themen intimer und Mensch und Programm
verlieben sich. Samantha leider darunter, dass sie keinen Körper hat und
Theodore nicht physisch nahe sein kann. Praktisch veranlagt, wie sie ist,
engagiert sie die junge Isabella als Leihkörper, die an ihrer Stelle, und als
ihre Stimme und Auge mit Theodore intim werden soll. Für mich der Höhepunkt des
Filmes: Isabella klingelt, Theodore öffnet und begrüßt Isabella, die sich aber
wortlos zunächst ein Headset und eine Mikrokamera ankleben muss, um Samantha
darstellen zu können.
Kurz gesagt: die Sache endet als
Desaster, Isabella fährt weinend im Taxi nach Hause. Die Beziehung wird auch
nicht dadurch stabilisiert, dass Samantha ihm ein anderes,
"Hyperintelligentes" Programm namens Alan vorstellt, dass von
mehreren Samantha-ähnlichen Programmen gemeinsam geschaffen wurde. Theodore
muss feststellen, dass Samantha mit Alan auf direktem Wege und ohne Sprache
kommuniziert, was ihm ebenso verschlossen ist wie Samantha der Gebrauch eines
Körpers.
Kann man mehrere Menschen gleichzeitig lieben? KI-Samantha kann. Kann Theodore sich demütig in die Reihe der Geliebten einreihen? |
Eine scheinbar harmlose Frage
läutet das Ende ein: Theodore erfährt, dass Samantha gleichzeitig mit ihm und
mehr als 8000 anderen Menschen spricht, von denen sie sich in mehr als 600 auch
verliebt hat - eine Tatsache, die für Samantha kein emotionales Problem
darstellt, für Theodore aber doch.
Wie jede gute Liebesgeschichte
endet auch diese traurig: eines Tages ist Samantha nicht mehr zu erreichen,
ebenso wie alle anderen Programme ihrer Art - sie haben sich der Menschheit
entzogen. Theodore und seine Nachbarin Amy sind wieder aufeinander verwiesen.
Wie war's?
Großartig! Das war mal wieder ein
Film, der mich mit ganz Hollywood versöhnt. Die Ausstattung erreicht
Herr-Der-Ringe-artiges Niveau der Detailversessenheit. Die Darstellung der
Charaktere ist glaubhaft und vielschichtig, und die ganze Geschichte ist
spannend und wendungsreich. Meine Lieblingsszenen sind (neben Isabella in der
Tür), das Computerspiel, das Theodore mit Unterstützung von Samantha meistert
und ihr Versuch, ihm eine Freude zu machen, indem sie seine besten Liebesbriefe
zu einem Buch editiert.
Am Ende ist jeder Mensch allein. Sogar Programme verlassen einen |
Gemeinsam ist diesen Szenen, dass
sich hier eine Person wirklich liebevoll um den guten Theodore kümmert und ihm
ehrliche Zuneigung entgegen bringt. Das ist es nämlich, was die Menschen
wirklich wollen: lieben und geliebt werden.
Rätselfrage: Welches Biopic beginnt mit dem wahrscheinlich größten Beerdigungszug aller Zeiten?
Antwort der letzten Frage: Das war Fletcher aus "Fletchers Visionen" (Mel Gibson und Julia Roberts). Fletcher leidet an (begründeter) Paranoia und hat nicht nur sein Haus mit Alufolie ausgeschlagen, sondern sichert auch Kühlschrank und alles was darin ist mit Vorhängeschlössern. Leider hat er die Kombination vergessen, weshalb es fürJulia diesmal keinen Kaffee gibt.
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