Freitag, 11. September 2015

Troja (2004)

„Μῆνιν ἄειδε, θεά, Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος οὐλομένην – Singe, Oh Göttin, den Zorn des Achilleus, Peleus Sohn, den Verderben bringenden“. Illias und Odyssee sind DAS grundlegende, größte, einflussreichste und zugleich älteste Werk der epischen Literatur – und das sage ich nicht nur, weil mein Vater diese Verse übersetzen und auswendig auf Griechisch aufsagen konnte (zumindest den Anfang). Sehen wir mal, was Wolfgang Petersen daraus gemacht hat.

"Erzählt man jemals meine Geschichte soll man sagen, ich ging meinen Weg mit Giganten. Menschen vergehen wie des Winters Weizen, doch diese Namen vergehen nie! Man soll sagen, ich lebte zu Zeiten Hektors, des Pferdebezwingers. Man soll sagen, ich lebte zu Zeiten Achilles"

Worum geht’s?


Die 15.693 Verse in 24 Gesängen der Illias in zwei Stunden Film zu packen ist sicher nicht leicht, und es ist entschuldbar, wenn Petersen einige Helden und Handlungsstränge gestrichen oder gekürzt hat. Im Grunde geht es um die alte Geschichte: Mann und Frau finden sich klasse, sie ist verheiratet, die beiden brennen durch.

Der verlassene Ehemann holt seinen Bruder, sie nehmen ein paar Dachlatten und rücken dem Neuen auf die Bude. Der ist mittlerweile bei den Verwandten untergekrochen, die ihn jetzt auch nicht hängenlassen wollen. Und weil die drei Paris (Prinz von Troja), Helena, (Tochter des Zeus und der Leda) und Menelaos von Mykene sind, stehen sich bald auf jeder Seite fünfzig- bis hunderttausend Männer mit Schildern und Speeren gegenüber, bereit alles zu töten, was sich wehrt, die Frauen zu vergewaltigen, die Kinder in die Sklaverei zu verkaufen und die Alten verhungern zu lassen. Na Super.
Gerüstet zur Schlacht. Schön war das alles nicht.

Damit der Feldzug auch sicher ein Erfolg wird, hat König Agamemnon, (das ist der erwähnte Bruder des Menelaos) in ganz Griechenland die Fürsten, Kleinkönige und Helden aufgefordert, sich ihm zur Verteidigung der griechische Ehre anzuschließen. Die einen haben es getan, weil sie nichts Besseres zu tun hatten, die anderen aus Ruhmsucht, Achill, der größte Krieger der Hellenen, weil er das Kämpfen so liebt.

"Was haben die Trojaner mir getan?"

"Sie haben Griechenland beleidigt!"

"Ein Trojaner hat EINEN Griechen beleidigt, der seine Frau nicht halten konnte, was kümmert mich das?"

Odysseus (habt ihr mal auf die Karte geschaut, wo die Insel Ithaka liegt? Das ist GANZ AUF DER ANDEREN SEITE von Griechenland (von Troja aus gesehen). Kein Wunder, das Odysseus nicht mitwollte) spielt sogar den Irren, um zuhause bleiben zu können – ein wahrhaft klassisches Beispiel eines schlauen Mannes.

Zur Linken: Rose Byrnes, Darstellerin der Briseis, zur Rechten: Diana Kruger, Darstellerin der Helena. Links Top, rechts Flop


Am Ende sind hinreichend Speere zusammen, und der Angriff auf Troja beginnt mit Plünderei und Brandschatzung. Möglicherweise keine gute Idee war, sich ausgerechnet den Apollon-Tempel dafür auszusuchen und damit den Zorn der Götter heraufzubeschwören.

Unser Held Achill nimmt die hübsche Priesterin Briseis gefangen und erklärt sie (was ich gefunden habe, darf ich auch behalten) zu seiner persönlichen Beute. Weil dem König und Ober-Anführer Agamemnon aber ein eigenes hübsches Beutemädchen von den eigenen Sehern abgesprochen wurde (sonst göttlicher Zorn…) will dieser stattdessen Briseis haben (wozu ist man schließlich der Obermotz).

"Ihr habt euer Schwert, und ich habe meine Tricks" - Odysseus ist nicht der nette Typ, für den ihn alle halten. Bei Palamedes hat er Gold vergraben und einen Brief gefälscht, der ihn als Verräter dastehen lässt. Wahrscheinlich hat er sich auch noch an der Steinigung beteiligt.


Achill rückt Briseis raus, ist aber ZORNIG (und darum geht es schließlich im ganzen Werk). Er streikt, geht zurück aufs Schiff und guckt sich mit seinen nahezu unbesiegbaren Myrmidonen die folgenden Schlachten vom Oberdeck aus an.

Jetzt geht das Kriegsglück etwas hin und her, was man am besten tabellarisch erfasst:


  1. Paris kämpft gegen den Menelaos wobei er überlebt, sich aber blamiert
  1. Hektor erschlägt Menelaos (womit die Geschichte auch schon zu Ende sein könnte, wenn Agamemnon nicht eigentlich hier wäre, um sich Troja zu schnappen, Helena und das Eheglück seines Bruders ist ihm egal)
  1. Hektor erschlägt den Ajax, den zweitgrößten Helden der Griechen (Leute, was ist das denn für ein Ehrentitel „Zweitgrößter Held“?)
  1. Agamemnon geht nach Ajax Tod etwas die Düse (verlieren will er den Krieg jedenfalls nicht). Er gibt dem Achill die Briseis zurück, allerdings leicht beschädigt, weil er sie zuvor seiner Mannschaft zur Vergewaltigung überlassen hatte….
  1. … und Achill ist verständlicherweise immer noch sauer (ZORN) und kämpft immer noch nicht mit.
Die Stellung der Frau im antiken Griechenland ist noch weit verbesserungsfähig: Briseis nachdem Achill sie sich wieder geholt hat.


Hier verlässt der Film die Vorlage drastisch: Bei einem nächtlichen Überfall der Trojaner sieht es für die Griechen eher schlecht aus, bis sich die Myrmidonen von Achill angeführt in die Schlacht werfen. Am meisten darüber erstaunt ist Achill selbst, der die Szene beobachtet. Nachdem Hektor (Immer wieder Hektor! What a man!) den vermeintlichen Achill erschlagen hat, stellt sich heraus, dass ein junger Verwandter des Achill mit dessen Rüstung und Schild die Truppe angeführt hat.

Achill ist jetzt aus neuem Grund ZORNIG (was hilft eigentlich gegen hohen Blutdruck?) und fordert Hektor zum Zweikampf.

Das ist jetzt ganz großes Tennis: Held Hektor und Held Achill mit Schild und Speer im Sand vor den Mauern Trojas, auf den Rängen die gesamte griechische Armee und die gesamte Trojanische Bevölkerung – an vorderster Stelle auf dem monumentalen Tor die schönste der Schönen, Helena, Tochter der Leda.


Achill siegt.


Kein gutes Omen für die Trojaner, aber sie haben ja immer noch die Mauern, und da müssen die Griechen erst einmal hochkommen. Ihr kennt der Trick, und gut dass sie Odysseus, den listenreichen (Οδυσσέας πονηρός) gezwungen haben, mitzukommen. Am Ende fliehen einige Leute und Achill stirbt, den Rest zu erzählen habe ich keine Lust mehr.
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Paris und Helena in den Straßen der Stadt. Was den Schirm angeht: Wie ist denn da die Fundlage?

Wie war’s?


Fangen wir einmal mit der ganz großen Schwäche des Films an: Diana Kruger ist Deutsche, spricht fließend Französisch und Englisch, war 1992 „Look oft the year“ und hat sich beim Casting gegen 300 andere Bewerberinnen durchgesetzt. Aber sie ist eine GLATTE FEHLBESETZUNG!

Als schöne Helena ist Kruger ungefähr so überzeugend wie Nicole Kidman als Königin von Saba. Es kann mit ein paar Bauchmuskeln respektive mit einem hinreichenden Hüftschwung nicht so schwer sein, einen antiken Helden darzustellen (siehe Brad Pitt als Achill) oder ein antike Priesterin (siehe Rose Byrne als Briseis), aber Kruger ist als Helena nur die Statue einer Hollywoodschönheit in antiker Kulisse. Wenn sie sich wenigstens einmal bewegen würde! Oder Mimik zeigen würde! (ich meine außer „erschreckt gucken“) Die hat mir beim ersten Sehen (eines Ausschnittes, kam im Fernsehen) fast den ganzen Film vermiest.
Jajaja, schön isse schon, die Helena. Da kann ich auch nichts sagen. Nur ist sie keine Griechin. Und keine Schauspielerin.

Alle anderen leisten ihren Teil brav ab. Paris ist ein bisschen arg milchbubihaft; aber irgendwo musste es bei den Trojanern ja auch Milchbubis geben, also warum nicht. Achill: Top (der Mann hat etwas Zeit beim Bankdrücken verbracht), Hektor: akzeptabel, Odysseus: Glaubhaft.

Generell leidet die Charakterzeichnung (außer bei Achill, Agamemnon und Odysseus) etwas unter der Überfülle des Stoffes und der Notwendigkeit, die vielen Kampfszenen und Zweikämpfe unterzubringen. Immerhin hat der Regisseur der Versuchung wiederstanden, die Dialoge mit amerikanischem Schmalz einzubuttern, was mir schon einmal sehr gut gefällt.

Im Ganzen ist alles spannend, es ist viel los, die Kinder verstehen die Grundzüge der Illias und lernen den Unterschied zwischen Helden, Feiglingen und klugen Leuten kennen (hoffen wir, dass unsere alle zu den Klugen gehören). Ob sie je die Dichtung im Original lesen werden wie mein Vater ist zweifelhaft, aber man weiß ja nie.


Friendlys Schulnote: Eine ZWEI, das Plus ist verpasst wegen der erzwungen unterirdischen Darstellung der Helena und dem wüsten Gewimmel am Schluss. FSK-12, ich denke man kann den Film ab 10 Jahren sehen. Wüste Kampfszenen sind nicht enthalten, und die Bettgeschichten werden nicht so weit ausgewalzt, dass es Kinder stört. Ich fand’s sehenswert.


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