„Μῆνιν ἄειδε, θεά, Πηληϊάδεω Ἀχιλῆος οὐλομένην – Singe, Oh Göttin, den Zorn des Achilleus, Peleus
Sohn, den Verderben bringenden“. Illias und Odyssee sind DAS grundlegende,
größte, einflussreichste und zugleich älteste Werk der epischen Literatur – und
das sage ich nicht nur, weil mein Vater diese Verse übersetzen und auswendig auf
Griechisch aufsagen konnte (zumindest den Anfang). Sehen wir mal, was Wolfgang
Petersen daraus gemacht hat.
Worum geht’s?
Die 15.693 Verse in 24 Gesängen
der Illias in zwei Stunden Film zu packen ist sicher nicht leicht, und es ist
entschuldbar, wenn Petersen einige Helden und Handlungsstränge gestrichen oder
gekürzt hat. Im Grunde geht es um die alte Geschichte: Mann und Frau finden
sich klasse, sie ist verheiratet, die beiden brennen durch.
Der verlassene Ehemann holt seinen
Bruder, sie nehmen ein paar Dachlatten und rücken dem Neuen auf die Bude. Der
ist mittlerweile bei den Verwandten untergekrochen, die ihn jetzt auch nicht
hängenlassen wollen. Und weil die drei Paris (Prinz von Troja), Helena,
(Tochter des Zeus und der Leda) und Menelaos von Mykene sind, stehen sich bald auf
jeder Seite fünfzig- bis hunderttausend Männer mit Schildern und Speeren
gegenüber, bereit alles zu töten, was sich wehrt, die Frauen zu vergewaltigen,
die Kinder in die Sklaverei zu verkaufen und die Alten verhungern zu lassen. Na
Super.
Gerüstet zur Schlacht. Schön war das alles nicht. |
Damit der Feldzug auch sicher ein
Erfolg wird, hat König Agamemnon, (das ist der erwähnte Bruder des Menelaos) in
ganz Griechenland die Fürsten, Kleinkönige und Helden aufgefordert, sich ihm zur
Verteidigung der griechische Ehre anzuschließen. Die einen haben es getan, weil
sie nichts Besseres zu tun hatten, die anderen aus Ruhmsucht, Achill, der
größte Krieger der Hellenen, weil er das Kämpfen so liebt.
"Was haben die Trojaner mir getan?"
"Sie haben Griechenland beleidigt!"
"Ein Trojaner hat EINEN Griechen beleidigt, der seine Frau nicht halten konnte, was kümmert mich das?"
Odysseus (habt ihr mal auf die
Karte geschaut, wo die Insel Ithaka liegt? Das ist GANZ AUF DER ANDEREN SEITE
von Griechenland (von Troja aus gesehen). Kein Wunder, das Odysseus nicht
mitwollte) spielt sogar den Irren, um zuhause bleiben zu können – ein wahrhaft
klassisches Beispiel eines schlauen Mannes.
Zur Linken: Rose Byrnes, Darstellerin der Briseis, zur Rechten: Diana Kruger, Darstellerin der Helena. Links Top, rechts Flop
Am Ende sind hinreichend Speere
zusammen, und der Angriff auf Troja beginnt mit Plünderei und Brandschatzung.
Möglicherweise keine gute Idee war, sich ausgerechnet den Apollon-Tempel dafür
auszusuchen und damit den Zorn der Götter heraufzubeschwören.
Unser Held Achill nimmt die
hübsche Priesterin Briseis gefangen und erklärt sie (was ich gefunden habe,
darf ich auch behalten) zu seiner persönlichen Beute. Weil dem König und
Ober-Anführer Agamemnon aber ein eigenes hübsches Beutemädchen von den eigenen Sehern
abgesprochen wurde (sonst göttlicher Zorn…) will dieser stattdessen Briseis
haben (wozu ist man schließlich der Obermotz).
Achill rückt Briseis raus, ist aber
ZORNIG (und darum geht es schließlich im ganzen Werk). Er streikt, geht zurück
aufs Schiff und guckt sich mit seinen nahezu unbesiegbaren Myrmidonen die
folgenden Schlachten vom Oberdeck aus an.
Jetzt geht das Kriegsglück etwas
hin und her, was man am besten tabellarisch erfasst:
- Paris kämpft gegen den Menelaos wobei er überlebt, sich aber blamiert
- Hektor erschlägt Menelaos (womit die Geschichte auch schon zu Ende sein könnte, wenn Agamemnon nicht eigentlich hier wäre, um sich Troja zu schnappen, Helena und das Eheglück seines Bruders ist ihm egal)
- Hektor erschlägt den Ajax, den zweitgrößten Helden der Griechen (Leute, was ist das denn für ein Ehrentitel „Zweitgrößter Held“?)
- Agamemnon geht nach Ajax Tod etwas die Düse (verlieren will er den Krieg jedenfalls nicht). Er gibt dem Achill die Briseis zurück, allerdings leicht beschädigt, weil er sie zuvor seiner Mannschaft zur Vergewaltigung überlassen hatte….
- … und Achill ist verständlicherweise immer noch sauer (ZORN) und kämpft immer noch nicht mit.
Die Stellung der Frau im antiken Griechenland ist noch weit verbesserungsfähig: Briseis nachdem Achill sie sich wieder geholt hat. |
Hier verlässt der Film die Vorlage drastisch: Bei
einem nächtlichen Überfall der Trojaner sieht es für die Griechen eher schlecht
aus, bis sich die Myrmidonen von Achill angeführt in die Schlacht werfen. Am
meisten darüber erstaunt ist Achill selbst, der die Szene beobachtet. Nachdem
Hektor (Immer wieder Hektor! What a man!) den vermeintlichen Achill erschlagen
hat, stellt sich heraus, dass ein junger Verwandter des Achill mit dessen
Rüstung und Schild die Truppe angeführt hat.
Achill ist jetzt aus neuem Grund ZORNIG (was hilft
eigentlich gegen hohen Blutdruck?) und fordert Hektor zum Zweikampf.
Das ist jetzt ganz großes Tennis: Held Hektor und Held
Achill mit Schild und Speer im Sand vor den Mauern Trojas, auf den Rängen die
gesamte griechische Armee und die gesamte Trojanische Bevölkerung – an vorderster
Stelle auf dem monumentalen Tor die schönste der Schönen, Helena, Tochter der
Leda.
Achill siegt.
Kein gutes Omen für die Trojaner, aber sie haben ja immer noch
die Mauern, und da müssen die Griechen erst einmal hochkommen. Ihr kennt der Trick,
und gut dass sie Odysseus, den listenreichen (Οδυσσέας πονηρός) gezwungen haben,
mitzukommen. Am Ende fliehen einige Leute und Achill stirbt, den Rest zu
erzählen habe ich keine Lust mehr.
Ein Bild aus glücklichen Tagen: Paris und Helena in den Straßen der Stadt. Was den Schirm angeht: Wie ist denn da die Fundlage? |
Wie war’s?
Fangen wir einmal mit der ganz großen Schwäche des Films an:
Diana Kruger ist Deutsche, spricht fließend Französisch und Englisch, war 1992 „Look
oft the year“ und hat sich beim Casting gegen 300 andere Bewerberinnen
durchgesetzt. Aber sie ist eine GLATTE FEHLBESETZUNG!
Als schöne Helena ist Kruger ungefähr so überzeugend wie Nicole
Kidman als Königin von Saba. Es kann mit ein paar Bauchmuskeln respektive mit
einem hinreichenden Hüftschwung nicht so schwer sein, einen antiken Helden
darzustellen (siehe Brad Pitt als Achill) oder ein antike Priesterin (siehe
Rose Byrne als Briseis), aber Kruger ist als Helena nur die Statue einer Hollywoodschönheit
in antiker Kulisse. Wenn sie sich wenigstens einmal bewegen würde! Oder Mimik
zeigen würde! (ich meine außer „erschreckt gucken“) Die hat mir
beim ersten Sehen (eines Ausschnittes, kam im Fernsehen) fast den ganzen Film
vermiest.
Jajaja, schön isse schon, die Helena. Da kann ich auch nichts sagen. Nur ist sie keine Griechin. Und keine Schauspielerin. |
Alle anderen leisten ihren Teil brav ab. Paris ist ein bisschen
arg milchbubihaft; aber irgendwo musste es bei den Trojanern ja auch Milchbubis
geben, also warum nicht. Achill: Top (der Mann hat etwas Zeit beim Bankdrücken
verbracht), Hektor: akzeptabel, Odysseus: Glaubhaft.
Generell leidet die Charakterzeichnung (außer bei Achill,
Agamemnon und Odysseus) etwas unter der Überfülle des Stoffes und der
Notwendigkeit, die vielen Kampfszenen und Zweikämpfe unterzubringen. Immerhin hat
der Regisseur der Versuchung wiederstanden, die Dialoge mit amerikanischem
Schmalz einzubuttern, was mir schon einmal sehr gut gefällt.
Im Ganzen ist alles spannend, es ist viel los, die Kinder
verstehen die Grundzüge der Illias und lernen den Unterschied zwischen Helden,
Feiglingen und klugen Leuten kennen (hoffen wir, dass unsere alle zu den Klugen
gehören). Ob sie je die Dichtung im Original lesen werden wie mein Vater ist
zweifelhaft, aber man weiß ja nie.
Friendlys Schulnote: Eine ZWEI, das Plus ist verpasst wegen
der erzwungen unterirdischen Darstellung der Helena und dem wüsten Gewimmel am
Schluss. FSK-12, ich denke man kann den Film ab 10 Jahren sehen. Wüste Kampfszenen
sind nicht enthalten, und die Bettgeschichten werden nicht so weit ausgewalzt,
dass es Kinder stört. Ich fand’s sehenswert.
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