Donnerstag, 19. März 2015

Pride

In der ersten Viertelstunde hatte ich das Gefühl, diesen Film schon mal gesehen zu haben: der Regisseur hat optisch und der Stimmung nach mehrere Filme in einen verwurstet: „Ganz oder gar nicht“, "Brass off", „Billie Elliot – I will dance“ (und sogar eine Prise „Der bewegt Mann“).
Getragen von einer Woge der Begeisterung - der charismatische Mark erfährt, dass Engagement keine Einbahnstraße ist
Nun kann man dem Film nicht vorwerfen, dass es um Schwule in England zur Thatcherzeit geht, und dass da Bergarbeiter, Homophobie und sozialer Abstieg halt bestimmende Themen sind. Leider hat der Regisseur allzu streng nach Lehrbuch gefilmt - es ist das Werk eines Musterschülers der englischen Filmhochschule, ängstlich darauf bedacht, nichts falsch zu machen. Hat er auch nicht: Der Film ist lustig, aber nicht albern. Frech, aber nicht höhnisch. Tolerant, aber nicht parteiisch. Bunt, aber nicht verwirrend. Regisseur Warchus würde von seinem Dozenten ein „Gut gemacht“ hören.

Leider ist der Film aber auch kurzweilig, aber nicht abwechslungsreich. Unterhaltsam, aber nicht mitreißend. Sympathisch, aber nicht liebenswert. Das reicht mir nicht.




Worum geht’s?


Übermotivierter Aktivist der Schwulenbewegung in London beschließt in guter alter sozialistischer Tradition, dass sich alle Unterdrückten im repressiven (Thatcher-) Regime zusammenschließen sollten, um nicht einzeln zu unterliegen. Quer über alle Sympathiebeziehungen gründet er die „Schwule und Lesben für Bergarbeiter“-Hilfsorganisation LGSM und trifft sowohl bei Schwulen und Lesben als auch (vorhersagbarerweise) bei den ländlichen walisischen Bergarbeitern auf Reserviertheit. 

Sein sprühendes Charisma treibt quasi im Alleingang die winzige LGSM an, die nun als größter Spendensammler die Bergleute erheblich finanziell unterstützt.
Resultat: die Schwulen und Lesben lernen etwas über die Welt der Bergarbeiter und die Bergarbeiter treiben Rückbau an ihrer Mauer aus Vorbehalten und Berührungsängsten – schließlich ist es für den, der in der finanziellen Klemme steckt, schwer, die Hilfe auch noch der buntesten Vögel abzulehnen.
Das Streik-Unterstützungs-Komittee unterstützt auch die Idee, sich von Schwulen und Lesben aus London unterstützen zu lassen. Sie da rechts hat ihre Jungs recht gut im Griff.

(Im Film nett, aber auch etwas männerfeindlich dargestellt: Es sind eigentlich immer die Frauen, die als Erste auf die „Anderen“ zugehen. Die Männer sind die tapsigen Braunbären mit beschränktem Verstand – glücklicherweise leidlich lenkbar)

Der Streik scheitert nach einem Jahr, aber die Bergarbeiter haben die Unterstützung der Schwulen und Lesben nicht vergessen, als die für Ihre Rechte demonstrieren: Halb Wales reist in Bussen und mit den altehrwürdigen Bannern der Gewerkschaften zur „Pride“-Kundgebung nach London. Mit den Stimmen der Gewerkschaften werden später diskriminierende Gesetze gegen Homosexuelle beseitigt.


Wie war’s? 


Schon ok. Solides Handwerk. Matthew Warchus darfs (wenn’s nach mir geht) nochmal versuchen. Ich habe nachgedacht, ob das besondere Merkmal dieses Filmes, nämlich die Extreme zu meiden, vielleicht Resultat von Warchus Karriere als Musical-Regisseur von Bühnenstücken ist. Braucht man auf der Bühne nicht so sehr auf die Pauke hauen, weil das Publikum näher dran ist? Aber es ist doch grade der Theater-Guckkasten, der die Distanz zwischen Publikum und Kunst herstellt, und die Nahaufnahme, die für Intimität sorgt … man weiß es nicht.

Jedenfalls wünsche ich mir für das nächste Mal etwas mehr Einsatz, Matthew.


Der wahre Heino: So sah es '84 wirklich aus in Wales. Kaum zu glauben - der Film erzählt eine (im Wesentlichen) wahre Geschichte.
Friendlys Schulnote: eine ZWEI-MINUS. (Ich weiß wirklich nicht, warum alle diesen Film so toll finden)

P.S.: Es gab im Film schon zwei sehr bewegende Momente: Der eine, als in der Mehrzweckhalle, in der das Streikkomitee die Brote schmiert und die Lebensmittel verpackt, die Frauen Bread and Roses" anstimmen. Der zweite: Durch den ganzen Film ist von einem uralten Gewerkschaftsbanner mit einem "Hand-in-Hand" Emblem die Rede, aber es wird nie gezeigt. Erst als die Bergarbeiter aus den Bussen kommen und Delegation nach Delegation die Flagen ihrer Heimatdörfer entfalten, wird auch das Banner sichtbar. Schön, das.




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