Sonntag, 11. Januar 2015

Herz aus Stahl - Fury

Der Film beginnt mit einem Bajonett-Stoß ins Gesicht. Die Szene habe ich glücklicherweise verpasst (war Cola und Bier holen). Aber eines wurde recht schnell klar: Der Film ist zu hart, viel zu hart.
"Machine" Norman liest Emma aus der Hand: "Du wirst nur eine große Liebe in deinem Leben haben". Dann wird sie vergewaltigt und eine halbe Stunde später ist sie tot. Nasuper.

Worum geht’s?


Brad Pitt als Don „Wardaddy“ Colier fahrt Panzer. Ihm zur Seite stehen vier junge Männer, ein Christ, ein dicker Mexikaner, ein ekelhaftes Arschloch mit viel Muskel und Norman, ein Junge, der jetzt doch schon seit sechs Wochen am Krieg teilnimmt.

Dieser junge Soldat, der eigentlich in die Etappe gehört und dessen besondere Fähigkeit darin besteht, 60 Worte pro Minute auf der Schreibmaschine zu tippen, wird auf Linie gebracht, indem mit der Pistole in seiner Hand ein Gefangener erschossen wird – klares Kriegsverbrechen des Panzerkommandanten Don. Dann wird erst einmal gekämpft: Die Deutschen greifen den Konvoi mit Panzerfäusten an.

Brad Pitt wie wir ihn sehen. Kriegsheld, Vater des Platoons, moralisches Vorbild.
Nach bestandenem Scharmützel (ein Panzer weg, drei deutsche Kindersoldaten liegen tot in der Böschung) ziehen die Soldaten in ein Dorf ein. Wieder ein Kriegsverbrechen als Don einen deutschen Offizier mit der Maschinenpistole tötet, der (Aussage des Bürgermeisters) für das Hängen von jugendlichen Deserteuren verantwortlich sein soll.

Tja, und dann wird es wirklich ekelig: während auf den Straßen schon die „Verbrüderung“ der amerikanischen Befreier vor allem mit der lokalen Damenwelt stattfindet, dringen Don und Norman in eine Wohnung ein, bedrohen die Bewohnerin, ziehen eine versteckte Jugendliche unter dem Bett hervor und lassen sich in einer Atmosphäre der Gewalt und Drohung von den beiden Frauen bewirten. Don schickt die jugendliche Emma und seinen jungen Schützen Norman zum Beischlaf ins Nebenzimmer und Emma fügt sich.
"Norman, geh mit ihr nach drüben. Sonst werde ich es tun."
Habe ich gesagt, es werde ekelig? Regisseur David Ayer legt noch einen drauf: die restliche Panzerbesatzung kommt in die Wohnung und quält die beiden Frauen – sie wollen auch, was Norman hatte. Als Höhepunkt leckt Panzerlader „Rattenarsch“ über die Spiegleier der jungen Emma um jede Spur bürgerlichen Friedens am Tisch zu vernichten. „Wardaddy“ hält die Situation nur so eben grade unter Kontrolle.

Mörserbeschuss: Es gibt keine Zeit zur Verabschiedung. Die Besatzung klettert in die Panzer, es wird gekämpft, das Haus der beiden Frauen stürzt ein, sie sind tot, die Amis rücken ab.

Es folgt ein Panzerduell von fünf Shermans mit einem deutschen Tiger. Panzer „Fury“ bleibt als einziger unbeschädigt und gibt dem „Tiger“ den entscheidenden Schuss, der den Innenraum in Flammen setzt und die Besatzung brennend flüchten lässt, bis sie dann doch mit Handwaffen erschossen werden. (Das ist wirklich recht spannend – also das Panzergefecht, nicht das Verbrennen).
Was Brad Pitt vom Panzer sieht: "Sie sind alle Feinde. Sobald sich einer komisch bewegt, feuert ihr."
Im Camp bekommt die Mannschaft den Auftrag, die Kreuzung zu bewachen, die eine Umgehung der Frontlinie und direkten Zugang zu einer Nachschubeinheit der Alliierten ermöglicht. Ziemlich genau auf der Kreuzung macht eine Miene den Panzer fahrunfähig: ein Rückzug vor den tatsächlich nahenden 300 Deutschen ist nur mehr ohne zu Fuß möglich. Irrationalerweise (und vielleicht ist das ja Heldenmut) beschließen die Männer, die Kreuzung mit ihrem defekten Panzer zu verteidigen. Sie legen einen Hinterhalt, kämpfen eine halbe Stunde herum, alle außer Norman sterben, aus. Die Deutschen sind auch überwiegend tot.

Wie war’s?


Hart, zu hart. Zumindest für’s Kino. Vielleicht sehe ich mir das Ganze noch einmal auf meinem Beamer an, aber im Kino hat mich das zu sehr mitgenommen. All die Kriegsverbrechen, Panzer, die über plattgedrückte Leichen im Matsch fahren, die Lastwagen mit Leichenteilen, brennende Menschen… nicht zu vergessen: Drohung mit sexueller Gewalt, Ekelhaftigkeit aller Orten.

Der Film ist für mich, was mein letztes Curry für meinen Sohn war - „So scharf, dass man eigentlich gar nichts mehr schmeckt“: So grauenhaft, dass ich nicht sagen kann, ob der Film gut oder schlecht ist.

Der Film wirft in seinem dokumentarischen Ansatz ein paar Fragen auf. Zum Thema „wie ist denn da die Fundlage“ habe ich bemerkt:

  • Schießen die Maschinengewehre der Panzer wirklich mit Leuchtspurgeschossen? Das sieht zwar nett aus (wie Laserstrahlen), kommt aber hier erstmals im Film vor.
  • Machen zwei Stielgranaten, die in einem Panzer explodieren wirklich so geringen Schaden? Die Leichen waren noch intakt, die Taschentücher noch gefaltet, kein Kratzer im Lack – kann das sein?
  • Ist es realistisch, dass sich die keusche jugendliche Emma dem ersten besten klavierspielenden Amerikaner ihrer Altersklasse hingibt, den sie erst zwanzig Minuten kennt?
  • Die Tageszeit vergeht seltsam in diesem Film. Der Panzer verliert im Hellen seine Kette, man kann die anrückende SS schon singen hören und plötzlich wird im Dunklen gekämpft. Im April?
  • Waren Gefangenenerschießungen so üblich, dass sie an einem Tag zweimal vorkamen?
  • Weshalb tragen die deutschen Soldaten ihre Panzerfäuste zunächst beim Marsch auf dem Rücken, müssen sie dann aber im Gefecht aus einer Kiste entnehmen?
  • Zur Taktik: warum behindern sich die Panzerfahrer selbst, indem sie Rauchgranaten werfen, so dass sie die angreifenden deutschen Infanteristen nicht mehr kommen sehen? Warum lagern sie die Munition außerhalb des Panzers, so dass sie im Gefecht herauskrabbeln müssen?
"Machine" Norman bevor er den ersten Menschen erschossen hat. Ein freundlicher junger Mann, kann alphabetisieren. So sollte es bleiben.
Naja. Ich will nicht kleinlich sein, aber hier häuft es sich schon - als sei die Story an sich nicht schon spannend genug. Im Ganzen sind die Anachronismen und Brüche aber nicht so schlimm, dass der Zuschauer komplett aus dem Geschehen getrieben wird (wie es zum Beispiel bei „Maze“ der Fall ist).

Aber: es ist kein schlechter Film. Die Charakterexposition (von einer Entwicklung kann man nicht sprechen, dafür ist neben den vielen Schlachten keine Zeit mehr) ist stimmig. Brad spielt gut. Der Panzer ist zugleich schützendes Gehäuse und klaustrophobische Bedrohung (was etwas an „das Boot“ erinnert).

Allerdings nimmt der Film eine seltsam neutrale Position zu Gewaltexzessen und Kriegsverbrechen ein. Wie steht es um die Erschießung von Gefangenen? Wie um Kriegsvergewaltigungen? Was ist mit den Leichenschändungen? David Ayer stellt diese Akte zwar nicht als Obszönitäten aus oder rechtfertigt sie gar - sie geschehen gewissermaßen beiläufig, so als seien sie eben unvermeidbare Begleiterscheinungen und weiter nicht der Rede wert. Sind wir schon darüber hinweg, und über Unrecht und Gemeinheit Gedanken zu machen?
Dieser Mann ist ernsthaft gestört und böse. Lader "Rattenarsch" kann es sich leisten. Er ist der stärkste der Mannschaft. Ich möchte ihn nicht kennenlernen.
Für mich hat der Film auch darunter gelitten, dass ich Schwierigkeiten hatte, ihn von „Inglorious Bastards“ zu trennen – ebenfalls ein Kriegsfilm mit Brat Pitt in der Hauptrolle (kann der eigentlich auch anders?) und einer der schlechtesten Filme, die ich in meinem Leben gesehen habe. Das sollte ich diesem Film natürlich nicht zu Vorwurf machen, er ist schon (mit allen Einschränkungen, die ich aufgezählt habe), gut. (Eigentlich muss er tief drunten sogar ein sehr, sehr guter Film sein, wenn er all das, was ich aufgezählt habe, überlebt und mir trotzdem noch gefallen hat)

Und nicht zuletzt ist der Film einfach sehr, sehr spannend!

Friendlys Schulnote: eine ZWEI. Zu brutal, zu unlogisch, moralisch fragwürdig und ohne klare Position für eine bessere Bewertung. Der Regisseur hat sein Talent verschwendet. 

Alicia von Rittberg als Emma war gut (deutsche Schauspielerin, ist in kleineren Rollen mit (Urghhh…) Veronika Ferres aufgetreten). FSK-16, meine Empfehlung: wegen der extremen Brutalität, der moralisch fragwürdigen Position und der Allgegenwart der Gemeinheit nicht unter 16 Jahren zu empfehlen.

Rätselfrage: Wie heißt der Hauptmann von Daeneris Armee der „Unbefleckten“?

Antwort der letzten Frage: Bluegrass kommt im belgischen Melodram „The broken circle“ vor. Ein tief bewegender Film über eine junge Familie, die ihr Kind an den Krebs verlieren. Besondere Anerkennung diesmal an meine liebe Freundin, die als einzige mit der richtigen Lösung kam!

P.S.: Ok, es war auch nicht mein Tag. Alles ging schief, und „Herz aus Stahl“ war dann vielleicht nicht der Upper, den ich gebraucht hätte…

P.P.S.: Und jetzt kommt mir nicht mit "Das war doch keine Vergewaltigung, sie wollte es doch..". Es ist offensichtlich, dass Don es darauf anlegte, den Willen der Frauen durch die bedrohliche Atmosphäre zu brechen und sie in eine Situation zu bringen, in denen die Vergewaltigung ihnen das kleine Übel im Vergleich zu einer "Vergewaltigung plus verprügelt werden" zu sein scheint.

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