Donnerstag, 17. Dezember 2015

Victoria

Um es gleich zu sagen: dieser Film ist ein verdammtes MEISTERWERK, Spiegel einer Generation, das ‚Außer Atem‘ der 10er Jahre. Ich habe auch nicht wirklich Lust, gegen die Meckerköppe jetzt zu begründen, warum der Film an dieser oder jener Stelle so und so gut sei – der einzige Grund, eine Kritik zu schreiben, ist es, Euch in diesen Film zu bekommen.


Ungebremste Lebensfreude ist genau das, was Victoria jetzt braucht.

Worum geht’s?


Victoria, und das erfährt man eher beiläufig irgendwann mitten im Film, hat ihr Musikstudium in Spanien wegen Erfolglosigkeit abgebrochen. Neues Leben, kein Glück – erstmal jobbt sie in Berlin in einem Cafe. Nach dem Club trifft sie auf vier ‚echte‘ Berliner Jungs, mit denen sie sich halbwegs auf Englisch verständigen kann. Die Vier sind lustig, und Victoria lässt sich abschleppen – sie kennt ja sonst keinen.

Mit neuen Freunden unterwegs, unsicher über das was kommen mag, aber neugierig: Victoria kommt frisch vom Konservatorium in die große Stadt.


„Fuß“, „Boxer“, „Blinker“ und der sympathisch-extrovertierte „Sonne“ zeigen Victoria die Dächer der Stadt. Allerdings ergibt sich, dass der völlig alkoholisierte Fuß noch eine Verpflichtung unter Kleinganoven einlösen muss: der nächstgrößere Gangster beauftragt ihn, einen völlig überstürzt-dilettantischen Überfall auf eine Bank durchzuführen. Fuß kann nicht mehr stehen, also überredet Sonne Victoria, „nur als Fahrerin“ mitzukommen. 

Selten hat eine einzige Aufnahme eine Scheiß-Situation so eingefangen wie dieser Film-Still aus der Tiefgarage. Verunsichert, Misstrauisch, den-Macker-machen - eigentlich wollen sie alle nur so schnell wie möglich weg.


Wieder alle Wahrscheinlichkeit gelingt der Überfall halbwegs. Zurück in den Club und hoch die Tassen! Dann sind aber schon die Bullen hinter ihnen her, und von nun an geht’s bergab. Schusswechsel, Fuß und Blinker verwundet. Sonne und Victoria nehmen ein Baby als Geisel, und eigentlich kann man sich schon denken, wo die Sache endet.

Am Ende lebt nur mehr Victoria, die aber ist jetzt reich.

Das Gefühl kurz vor einem Überfall lässt sich mit nichts anderem Vergleichen: Das Herz klopft bis zum Hals, das Blut rauscht durch deine Adern. Danach muss man erst mal runterkommen. Zum Beispiel durch Tanzen.

Wie war’s?


Ich will jetzt gar nicht auf die Einzelheiten und Besonderheiten eingehen: Drehbuch nur zwölf Seiten lang, Improvisation, eine einzige 140-minütige Einstellung usw. Ich will nur sagen, dass dieser Film der einzige der letzten Jahre, vielleicht der einzige Film überhaupt ist, zu dem ich sagen kann: „so könnte es gewesen sein“. Er ist die morgendlich Erinnerung an einen Traum, bevor ich daran denke, dass ich jetzt zur Arbeit muss und dass meine Jugend vorbei ist.

Eine gewisse Vertrautheit wächst schon zwischen "Sonne" und Victoria. Beziehungen, die nur durch gemeinsam überstandene Gefahren begründet werden, gehen oft schnell wieder auseinander. Wenn einer in der Gefahr stirbt, zum Beispiel.

Friendlys Schulnote: eine EINS. Da ist nichts mehr zu verbessern. Wahr, schön, elegant. Dieser Film ist wie ein Messer von ‚Global‘, ein Topf von Le Croiset oder eine Taschenlampe von Zweibrüder: einfach, schlicht und unübertroffen.


P.S.: Mein Sohn reagierte auf die Entscheidung, „Die Taube saß auf einem Zweig..“ mit dem europäischen Filmpreis auszuzeichnen, wogegen „Victoria“ leer ausging, mit stummem, fassungslosen Kopfschütteln.

1 Kommentar:

  1. Sicherlich ist die Machart des Films ein Muss für jeden Filmliebhaber, dennoch flacht die Story ab der Hälfte etwas ab. Gefreut hätte ich mich trotzdem, wenn VICTORIA deutscher Beitrag für den Auslandsoscar geworden wäre, aber man kann halt nicht alles haben... :)

    Hier meine Review: https://filmkompass.wordpress.com/2015/04/11/victoria-2015/

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