Eine Maschine, die rund läuft, hat eine unvergleichbare
Ästhetik. Und wenn es dazu noch so eine reizende Anlage wie die Turing-Bombe-Rechenmaschine ist, mit hundert kleinen Antrieben, die jede in ihrer Geschwindigkeit vorwärtsklickern,
dann ist sie ein Bild reiner technischer Schönheit – das wird Euch jeder ordentliche
Ingenieur bestätigen.
Kleiner Exkurs: Rechenmaschinen gibt es natürlich schon lange – vor der Entdeckung der Elektrizität mit Zahnrädern, Umschlingungsgetrieben und vor allem mit Staffelwalzen bzw. Sprossenrädern – beides Zahnräder mit nach Wahl zwischen null und neun Zähnen, um die Ziffern einer Zahl abzubilden.
Kleiner Exkurs: Rechenmaschinen gibt es natürlich schon lange – vor der Entdeckung der Elektrizität mit Zahnrädern, Umschlingungsgetrieben und vor allem mit Staffelwalzen bzw. Sprossenrädern – beides Zahnräder mit nach Wahl zwischen null und neun Zähnen, um die Ziffern einer Zahl abzubilden.
Alan Turing, einer der Väter der Informatik als Wissenschaft. Respekt! |
Diese Rechenmaschinen konnten addieren, subtrahieren, mal-nehmen und teilen – was ein enormer Vorteil ist, wie jeder bestätigen wird, dem man einmal für einen Monat Taschenrechner und iPhone wegnimmt. Was sie nicht konnten, ist: Eine Reihe von Berechnungen vornehmen und dann, abhängig vom Ergebnis, mal auf die eine, mal auf die andere Art weiterzurechnen. Was Turing als „universelle Rechenmaschine“ vorschwebte, war ein Gerät, das solche „Verzeigungen“ im Programmablauf zuließ.
Eine solche Maschine würde – wie Turing mathematisch
zeigen konnte – alle berechenbaren Probleme auch berechnen können. Turing hat
mit der „Turing-Maschine“ ein Modell dieser auf das allernötigste reduzierten,
universellen Rechenmaschine vorgelegt – Prototyp für alle Computer, die wir
heute benutzen.
Worum geht’s im Film?
England at war! Anders als in der Rückschau, war es zu
dieser Zeit keineswegs klar, dass Deutschland den Krieg verlieren würde. Es
erschien, angesichts der überlegenen Kriegstechnik und der enormen Größe (und des Ausbildungsstandes) der
Reichswehr durchaus möglich, dass Deutschland
sich auf militärischem Weg zur Hegemonialmacht in Europa aufschwingen würde –
was England zumindest isolieren würde.
Mein Sohn nennt sie "Mickey-Mouse-Gasmasken". Hitlers Raketen konnten England erreichen, und niemand konnte garantieren, das nicht irgendwann Senfgas drinnen wäre. |
Bis zum ersten Weltkrieg wurde von deutscher Seite für
geheime Funksprüche ein Verschlüsselungsverfahren verwendet, bei dem der
Klartext per Hand in einen verschlüsselten Text kodiert wurde – dieses (notwendigermaßen
recht einfache) Verfahren wurde von der Gegenseite regelmäßig geknackt.
Im Zweiten Weltkrieg wurde von den Deutschen eine neuartige
Maschine (die ENIGMA) eingesetzt, deren besonderes Merkmal die elektromechanische
Verschlüsselung war. Mechanisch deshalb, weil zur Verschlüsselung drei aus fünf
Rotorwalzen in eine bestimmte von je 26 Stellungen gebracht werden musste
(vergleichbar einem Zahlenschloss) und elektrisch deshalb, weil die eigentliche
Umsetzung des Klarbuchstabens in den verschlüsselten Buchstaben mit Strom realisiert
wurde: man drückt auf eine Taste mit einem ‚Q‘ und auf einer Anzeige leuchtet
ein Lämpchen unter dem ‚W‘. (Natürlich hatte die Maschine noch alle möglichen
zusätzlichen Gimmicks, die aber für die Entschlüsselung nicht entscheiden
waren.)
Keira Knightley spielt die Joan Clarke - Nach Meinung von Joans Nichte eine glatte Fehlbesetzung, since: "...she was rather plain" |
Diese Maschine galt als „Unentschlüsselbar“, weil die bisher
erfolgreichen Verfahren (Beispielhaft: die Buchstabenhäufigkeitsanalyse, wie
sie meine Kinder in der Schule gelernt haben - siehe #1) versagen. Mit der Enigma wurde
jeder Buschstabe jedes Mal mit einem anderen Code verschlüsselt – Alle Buchstaben
waren deshalb gleich häufig im Ergebnis zu sehen.
Der Film erzählt die Geschichte des englischen Mathematikers
Turing (und seines Kollegen Welchman), insbesondere die Geschichte der Entschlüsselung
der ENIGMA.
Turing, damals schon Professor und ein Sonderling erster Güte, wird als Teil eines Linguisten- und Mathematikerteams in eine Armee-Einheit eingezogen, die per Hand und mit linguistischen Methoden deutsche Funksprüche entziffern soll. Er macht sich vom Start an unbeliebt und entzieht sich der gemeinsamen Arbeit, um am Konzept einer Rechenmaschine zu arbeiten, die die ENIGMA-Verschlüsselung lösen soll.
Turing, damals schon Professor und ein Sonderling erster Güte, wird als Teil eines Linguisten- und Mathematikerteams in eine Armee-Einheit eingezogen, die per Hand und mit linguistischen Methoden deutsche Funksprüche entziffern soll. Er macht sich vom Start an unbeliebt und entzieht sich der gemeinsamen Arbeit, um am Konzept einer Rechenmaschine zu arbeiten, die die ENIGMA-Verschlüsselung lösen soll.
Turing (Benedict Cumberbatch) und seine "Bombe". Noch funktioniert nicht alles, wie es soll. |
Schließlich wird es seinem Chef zu bunt: Turing bekommt eine
Abmahnung. Mit einer Eingabe an Premier Churchill erreicht Turing, dass ihm ein
Budget von 100.000 Pfund für den Bau der Entschlüsselungsmaschine „Bombe“ und
die Teamleitung übertragen werden. Dieser Umstand macht ihn bei seinem Chef
nicht grade beliebt. Als dann noch die Erfolge seiner imposanten Maschine aus
elektrisch angetriebenen, mechanischen Rechenwerken ausbleiben, stehen eine
schändliche Degradierung und mögliche Verurteilung im Raum.
Nebenbei verliebt sich Turing – obwohl homosexuell – in
seine Kollegin Joan Clarke, sie verloben sich und stellen sie den jeweiligen
Eltern vor. Turing offenbart Joan seine Homosexualität, was (im Film) für sie
kein Trennungsgrund ist. Schließlich löst Turing das Verlöbnis.
Die Turing-Maschine ist der minimale Aufbau, mit dem eine universelle Rechenmaschine zu realisieren. Sie kann lesen, schreiben, rechnen und vorwärts und rückwärts fahren. Das war's |
Mittlerweile konnte er seine Kollegen vom Konzept der „maschinellen
Entschlüsselung“ überzeugen. Welchman liefert schließlich die entscheidende
Verbesserung, die die Geschwindigkeit der „Bombe“ so weit erhöhte, dass die
Funksprüche entschlüsselt werden konnten, bevor sie ihre Bedeutung verloren
hatten.
Damit tritt ein neues Problem auf: Die Informationen der
Funksprüche im vollen Umfang zu nutzen, hätte die deutschen Generäle sofort auf
den Bruch der Verschlüsselung aufmerksam gemacht. Die Code-Knacker tun sich mit
dem Geheimdienst zusammen und geben nur die Informationen weiter, die auch auf
anderem Wege in die Hände der Engländer kommen hätten können. Damit nehmen sie
den Tod von Soldaten und Zivilisten in Kauf, um auch weiter in der Lage zu
sein, die geheimen Nachrichten der Deutschen mitlesen zu können.
Turing hat auch im Sport Leistungen erreicht, von denen 99% von uns nur träumen können. Manche kochen eben nicht nur mit Wasser. |
Nach dem Erfolg kommt das tragische Ende: Bei Turing wird
eingebrochen – die Polizei findet den Täter und enthüllt dabei auch Turings
Kontakte in die (damals illegale) Homosexuellen-Szene. Turing wird verurteilt
und wählt, um seine Arbeit fortsetzen zu können und eine Gefängnisstrafe zu
vermeiden, eine Östrogenkur, die seine Homosexualität beheben sollte. Vom Hormon aufgeschwemmt leidet der
Ex-Leistungssportler (Marathon in 2:46, Labambamongongo!) unter Depressionen
und tötet sich durch den Biss in einen mit Zyanid vergifteten Apfel.
Wie war’s?
Als Geschichte: Sehr gut! Der Film ist relativ konventionell
erzählt: es gibt ein paar Rückblicke in Turings Kindheit, aber im Ganzen wird
aus einer Perspektive und in einer Chronologie erzählt – was einem Biopic aber
ganz gut ansteht. Die Atmosphäre einer Forschungsmannschaft nach dem
„Durchbruch“ ist fesselnd und verständlich dargestellt. (Ich kann das
beurteilen, ‚Doc‘ Friendly hat auch mal geforscht, hihihi…).
Benedict Cumberbatch spielt Turing überzeugend, und die
dargestellten monomanischen und arroganten Züge sind bei Wissenschaftlern nicht
selten, wenn auch nicht oft in dieser Schärfe ausgeprägt (Im Gegensatz zum
Film-Turing hatte der echte Turing aber weitaus mehr Freunde und weit weniger
Macken)
General Guderian (stehend) wartet auf die Entschlüsselung einer Funknachricht mit der ENIGMA |
„Joan meint, ich solle freundlicher sein zu euch. Deshalb habe ich für jeden einen Apfel mitgebracht. Hier!“
Allerdings: Regisseur Morton Tyldum hat die Geschichte in fast allen
Punkten, die nicht Homosexualität und Technik betreffen, dramatisiert:
- Die Beziehung zu Joan war (nach
Fundlage) nicht so eng, wie der Film sie darstellt.
- Der Beitrag Turings beruht
(auf den Schultern von Riesen – ich möchte seinen Beitrag auf keinem Fall
schmälern) maßgeblich auf der Polnischen Maschine „BOMBA“ von Marian
Rejewski – was im Film nicht erwähnt wird.
- Die Entzifferung der
ENIGMA war ein weitaus größeres Unternehmen, als im Film gezeigt. Tausende
waren daran beteiligt. Es gab mehr als eine Bombe. Tatsächlich gab es
später über hundert.
- Die Maschine wurde auch in
England „Bombe“ genannt, nicht „Christopher“. Die erste funktionsfähige
Ausführung hatte den Namen „Victory“
- Die hohen Östrogendosen hatten eine Reihe von Wirkungen (Brustwachstum, Wasseransammlung, verminderte Leistungsfähigkeit) aber nach allem, was wir wissen, wird die geistige Kapazität nicht beeinflusst – anders als im Film nahegelegt.
- Die Spionagegeschichte im Film hat keine Entsprechung in der Wirklichkeit. Insbesondere, dass Turing in landesverräterischer Weise einen sowjetischen Spion nicht enttarnt habe, ist eine durch nichts gedeckte Verunglimpfung.
Unter besonderen Umständen, kann Turing auch witzig sein. |
Zugegeben: ich habe eher hohe Ansprüche an die Faktentreue
von Biopics. Das liegt daran, dass ich nicht nur unterhalten, sondern auch
informiert werden möchte. Außerdem nutze ich Filme, um meinen Kindern
Weltgeschichte verständlich zu machen (Gandhi, 28 Days, Kennedy…). Es kann ganz
schön mühsam sein, etwas, was die Kinder falsch gesehen haben, wieder
richtigzustellen! Und hier im Film gibt es schon einiges, was so nicht gewesen
ist. (Und ich rede hier nicht über die Frage, wann das Tipp-Ex erfunden wurde)
Deshalb Friendlys Schulnote: eine DREI-PLUS. Als Film eine
ZWEI-PLUS, aber eine Note Abzug wegen grobem historischen Unfugs.
Rätselfrage: Es gibt eine Verschlüsselungsart, die
prinzipiell unknackbar ist, die aber einen gravierenden Nachteil hat. Wie
funktioniert sie und was ist der Nachteil?
Antwort der letzten Frage: Emma Watson hat den BAFDA-Award,
den sie im Jahr 2014 erhielt, ihrem Hamster Milli gewidmet. Milli starb während
der Dreharbeiten zum ersten „Harry-Potter“-Film. Dieser Teil ihrer Rede ist
sehr herzerweichend, zumal ihr die Stimme erkennbar zittert, bevor sie in die
Vortragsroutine einer erwachsenen Künstlerin zurückfindet und die kindliche
Tragödie zur Erheiterung des Auditoriums ins Lustige umdeutet. In diesem Moment
hat mir eine berühmte Schauspielerin ehrlich leidgetan. Komisch, was?
P.S.: Ich war am Wochenende im 'Arithmeum' in Bonn - einem Museum der Rechenkunst, -Hilfen und -Maschinen. Dort habe ich gelernt, dass ein 'Rechengerät' ein Ding ist, das keinen automatischen Zehnerübertrag hat, wogegen eine 'Rechenmaschine' einen automatischen Zehnerübertrag haben muss. (Der Zehnerübertrag entsteht, wenn - wie beim schriftlichen addieren - eine Stelle ein Ergebnis größer als neun hat, zum Beispiel "6+7 = 3, Übertrag 1 in die nächsthöhere Stelle).
So ein Zehnerübertrag ist mit Zahnrädern nicht unglaublich schwer zu realisieren, aber es wird auf der mechanischen Seite problematisch, wenn man gleichzeitig mehr als eine Stelle mit einem Übertrag hat. Beispiel: "9999+1 = 0000, Übertrag 1". Dabei werden alle vier Stellen gleichzeitig von der '9' auf die '0' gedreht (und die führende Stelle von der '0' auf die '1'). Das erfodert schon ziemlich präzise Mechanik, oder ein paar Tricks.
--------------------------------------------------------
Anmerkung #1: Analyse der Buchstabenhäufigkeit
Die sogenannte 'monoalphabetische Substitution' ist oft das erste Verschlüsselungsverfahren, auf das Leute kommen. Schon Caesar (Julius) soll es verwendet haben. Dabei wird jeder vorkommende Buchstabe des Klartextes durch einen anderen ersetzt - beispielsweise A->B, B->C, .... Z->A.
Aus "KEIRA" wird so "LFJSB". Obwohl das Ergebnis ziemlich verwirrend aussieht, ist der Code schnell auch mit Papier und Bleistift zu knacken. Der Angriff basiert darauf, dass die Buchstaben in Texten nicht gleich oft vorkommen.
Man zählt für jeden Buchstaben im verschlüsselten Text, wie oft er vorkommt und kann mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass das häufigste Zeichen das 'E' bedeutet, das zweit häufigste das 'N' und so weiter. Mit 'E' und 'N' sind viele Texte schon ansatzweise lesbar. Dieser Trick funktioniert schon ab einer Zeile.
P.S.: Ich war am Wochenende im 'Arithmeum' in Bonn - einem Museum der Rechenkunst, -Hilfen und -Maschinen. Dort habe ich gelernt, dass ein 'Rechengerät' ein Ding ist, das keinen automatischen Zehnerübertrag hat, wogegen eine 'Rechenmaschine' einen automatischen Zehnerübertrag haben muss. (Der Zehnerübertrag entsteht, wenn - wie beim schriftlichen addieren - eine Stelle ein Ergebnis größer als neun hat, zum Beispiel "6+7 = 3, Übertrag 1 in die nächsthöhere Stelle).
So ein Zehnerübertrag ist mit Zahnrädern nicht unglaublich schwer zu realisieren, aber es wird auf der mechanischen Seite problematisch, wenn man gleichzeitig mehr als eine Stelle mit einem Übertrag hat. Beispiel: "9999+1 = 0000, Übertrag 1". Dabei werden alle vier Stellen gleichzeitig von der '9' auf die '0' gedreht (und die führende Stelle von der '0' auf die '1'). Das erfodert schon ziemlich präzise Mechanik, oder ein paar Tricks.
--------------------------------------------------------
Anmerkung #1: Analyse der Buchstabenhäufigkeit
Die sogenannte 'monoalphabetische Substitution' ist oft das erste Verschlüsselungsverfahren, auf das Leute kommen. Schon Caesar (Julius) soll es verwendet haben. Dabei wird jeder vorkommende Buchstabe des Klartextes durch einen anderen ersetzt - beispielsweise A->B, B->C, .... Z->A.
Aus "KEIRA" wird so "LFJSB". Obwohl das Ergebnis ziemlich verwirrend aussieht, ist der Code schnell auch mit Papier und Bleistift zu knacken. Der Angriff basiert darauf, dass die Buchstaben in Texten nicht gleich oft vorkommen.
"Ich kaufe ein 'Q' - Keine gute Idee. Der häufigste Buchstabe im Deutschen ist das 'E' |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen