Donnerstag, 26. Juni 2014

Der Teufel trägt Prada

Es ist vielleicht überraschend, wenn ich zugebe, dass dieser Film auf mich eine bewusstseinserweiternde Wirkung hatte. Seitdem ich "Der Teufel trägt Prada" gesehen habe, verstehe ich die Frauen besser! Nein wirklich - diese ganze Sache mit "Schatzi, wie sieht das an mir aus? Auch am Hintern? Ich gehe noch mal rein und probiere das andere an. Rühr Dich nicht von der Stelle" stehe ich jetzt deutlich toleranter gegenüber. 

Nur vier Stunden vor dem Spiegel, und das Entchen wird zum Schwan
Für mich ist Kleidung ja etwas zum Anziehen, damit einem nicht kalt ist. Bevor ich etwas neues kaufe, sehe ich mir auf dem Weg zum Kaufhaus an, was die Männer, die mir entgegenkommen tragen und kaufe dann etwas ähnliches. Man kann mich also nicht grade zur modischen Avantgarde zählen.

Aber irgendetwas muss da sein mit der Mode, sonst würde nicht so viel Zeit und Energie drauf verwendet, würde nicht für die eine Jeans 35 Euro und für die andere 350 Euro ausgegeben. Tatsächlich nehme ich ästhetisch gekleidete Frauen wohlwollend zur Kenntnis (wohingegen ästhetisch gekleidete Herren natürlich nur Stutzer und Schnösel sind...) und was hindert mich eigentlich daran, meine warme Kleidung bei Kik zu kaufen statt bei Diesel? Macht das etwa Sinn?
"Machen wir eine Vorher-Nachher-Story, von der ich nichts weiß?": Andrea fügt sich nicht nahtlos in die ungeschriebenen Regeln des Gewerbes
(Ok-ok, die Filmkritik beginnt weiter unten, für diejenigen, die meine ästhetiktheoretischen Spekulationen nicht weiter mitverfolgen wollen.)

Also: was erzählt einem dieser Film über die Mode? Ausgangspunkt sei Miranda Priestlys Monolog über die Farbe Azure: Sie sagt, a) dass ein einzelner Desiger vor mehreren Jahren erstmals azurblaue Abendkleider vorgestellt hat, b) sich diese Farbe in den folgenden Jahren ihren Platz in der Farbpalette der Damenoberbekleidung erobert hat, um c) schließlich als Kunstfaserpullover im Wühltisch zu landen. Auf diesem Weg habe diese Farbinnovation d) zehntausende von Künstlern, Textilarbeitern und Verkäufern ernährt.

Ist da was dran an der Mode als Ernährer der Massen? Hätten diese Arbeiter und Angestellten nicht ebenso gut gelebt, wenn Andrea und Priestly identische Mao-Anzüge oder Mönchskutten tragen würden? Hätten sie sich vielleicht auch mit etwas anderen, sinnvolleren beschäftigen können? 
Diese Kolleginnen kommen direkt aus der Hölle: sie lassen an der neuen Assistentin keinen guten Faden

Priestly irrt, wenn sie die Argumentation auf die ökonomischen Schiene setzt. Die Antwort strahlt aus Andreas Augen, als sie den Fundus des Magazins "Runway" betritt (eine - wenn es so etwas gibt - begehbare Schrank-Etage voller extrovertierter Mode) - es ist Freude. Reine, ungebremste Freude, sich schön zu machen und sich am selbst zu erfreuen. Und das ist der innere Zweck der Mode. Es ist nicht der Kommerz, nicht das sich-abheben vom anderen (das wäre dann die Emily im Cast) sondern die fast komplett selbstbezogene Gelegenheit, ästhetisch über sich selbst hinauszuwachsen. Na gut, Andrea freut sich auch, als sie komplett aufgebrezelt ihren Freund überrascht (ihm gefällt's...). Seit ich das verstanden habe, ziehe ich mich auch anders an :-)

Worum geht's?

Andrea kommt frisch von der Journalistenschule und hat sich nach mehreren Absagen als letzter Notnagel bei der Modezeitschrift "Runway" beworben. Die diktatorische Chefin Miranda Priestly engagiert Andrea, obwohl sie als kompletter Mode-Ignorant (Gabbana? Können Sie das bitte buchstabieren?) nicht grade in Mirandas Beuteschema, was Chefsekretärinnen/Asistentinnen angeht, fällt. Ich liebe Miranda! Sie ist die Chefin aus der Hölle! Ihre Anforderungen sind unerfüllbar, Anerkennung gibt es in homöopatischer Dosierung, sie hat die Geduld einer Stielgranate und das Mobiltelefon ist für sie eine Fernsteuerungseinheit für die Angestellten. Mein Sohn zu diesem Thema "Gibt es wirklich solche Leute?"
Wenn diese Frau den Aufzug betritt, verlassen die anderen Besucher die Kabine:
Miranda Priestly findet das nur angemessen.
Die erste Hälfte des Filmes darf man Andrea zusehen, wie sie versucht, einen Job, von dem sie keine Ahnung hat, auszufüllen, von ihrer Chefin zur Schnecke gemacht wird, von der Kollegin verachtet, von den Freunden verlacht. (Unter anderem gehört zu ihren Aufgaben: den neuen Harry Potter für Mirandas Zwillinge beschaffen, bevor er in Druck geht, die Chefin während eines Hurrikans mit der Nationalgarde aus Miami ausfliegen lassen). Dann wird es eher noch schlimmer: es folgt die Krise mit dem Liebsten, der der Transformation von der investigativen Journalistin zum Mode-Afficinado nicht folgen kann.

Ein furioses Finale gibt es dann in Paris: Andrea deckt ein Komplott auf, das Miranda als Chefin ersetzen will - Miranda weiß das natürlich schon seit langem und hat den Gegen-Masterplan bereits in Gang gesetzt, ist aber von der Loyalität der Angestellten (geringfügig) beeindruckt. Sie bietet Andrea einen Karriereweg bei Runway an, Andrea lehnt ab und kündigt.
Vertrauensstelle für die junge investigative Journalistin:
Der Chefin einflüstern wer sich grade mit ausgestreckter Hand nähert
Wieder alle Erwartungen endet der Film nicht im persönlichen Untergang, weil die rachsüchtige Miranda alle Medien mit einem Boykott bedroht, die Andrea beschäftigen. Stattdessen empfiehlt sie Andrea an eine seriöse Tageszeitung, wo sie ihrem eigentlichen Interesse am Journalismus folgen kann. Sogar der Freund kommt zurück.

Wie war's? 

Wie gesagt: Bewusstseinserweiternd. Ich weiß jetzt, wozu Mode da ist: zur Hebung des allgemeinen Glücks! Ich finde den Film klasse! Miranda, der alte Drachen: "Ich weiß wirklich nicht, was daran so schwer ist, meinen Wagen vorfahren zu lassen!" ist ein Role-Model davon, wie man es nicht macht.

Friendlys Schulnote: Eine EINS-MINUS. Das Minus gibt es für die Andrea (Anne Hathaway) die auch gut spielt, aber Mary Streeps Qualitäten nicht erreichen kann.

Rätselfrage: Es gibt einen Film, dessen Titel aus sieben Buchstaben besteht, von denen aber nur vier verschieden sind. Wie heißt der Film und warum ist der Titel so?

Antwort der letzten Frage: Es handelt sich um Marilyn Monroe und Mimi van Doren, eine zu ihrer Zeit erfolgreiche "Gegen-Monroe"


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