Sonntag, 20. Juli 2014

Dallas Buyers Club

"Filme, bei denen einer stirbt, sind sich immer irgendwie ähnlich. Bevor der stirbt muss er noch irgendwelche Sachen erledigen und darum geht's dann". Das ist die Meinung des Sohnes meiner Freundin zum Genre "Nahtodfilm". Ich urteile da nicht so streng, und deshalb habe ich mich besonders auf die iTunes-Veröffentlichung von "Dallas Buyers Club" gefreut (obwohl es sich schon wieder um einen Schwulenfilm handelt. Vielleicht mag ich die ja doch?)
Das Ende ist nahe. Es war ein schönes Leben

Worum geht's?

Ron Woodroof ist Elektriker auf einem Ölfeld, Hobby-Rodeoreiter, Hobby-Buchmacher, schnupft gerne mal eine Nase, trinkt, feiert, geht zu den Mädchen wann immer er kann und lässt es generell so richtig krachen.

Arbeitsunfall: Rob werkelt unter Zeitdruck am Schaltschrank und kriegt einen gewischt. Blackout und Wiedererwachen im Krankenhaus, wo nicht nur ("...ich bin noch am leben...") gute Nachrichten auf ihn warten: Das Ärzteteam klärt ihn auf, dass er an AIDS leidet und eigentlich schon tot sein müsste. Lebenserwartung: maximal 30 Tage. Ron flippt aus, als ihm (bekennendem Homophoben) nahegelegt wird, sein homosexuellen Kontakte zu offenbaren.

30 Tage - das ist knapp. Ron reagiert so, wie er es meistens macht: Erst mal auf die Brause hauen, das lenkt ab. Die Todesnähe bereitet ihm Erektionsprobleme auf seiner improvisierten Feier (mit Huren) - er nimmt jetzt sein Sterben in die eigene Hand und recherchiert (1988) in der Bibliothek nach einer Behandlung. AZT befindet sich grade im klinischen Test und Ron will es sich im Krankenhaus holen. Weil er eigentlich nur krumme Touren kennt, versucht er direkt einmal, den Arzt zu bestechen, was nur geringe Erfolge zeitigt. 
Ron geht es so richtig scheiße.
Orientierungslos irrt er auf der Kreuzung herum, bis ihn der Officer wieder einfängt
Besser klappt's beim Raumpfleger. Der hinterlässt jetzt wöchentlich ein Döschen AZT im Müllcontainer. Die Dosierung dieses brandgefährlichen Zellgiftes ist sehr sensibel? Scheiß drauf! Ron nimmt erstmal eine Pille und gleich zur Sicherheit noch eine. Viel hilft viel.

Immerhin: er lebt, wenn auch die Nebenwirkungen erheblich sind. Eines Tages ist es vorbei mir der Medikamentenversorgung. Ron gerät in Wut, will den Putzer schlagen, aber noch nicht einmal das klappt mehr.
"Ja, Sir. Nein, Sir. Die Medikamente sind in den USA nicht verboten. Sie sind nur noch nicht zugelassen".
Ron, ganz seriös, kennt seine Rechte
Was es in den USA nicht gibt, gibt es vielleicht in Mexiko: Ron fährt im V8 über die Grenze zum Arzt seines Vertrauens. Dr. Doom ist in den USA die Zulassung aus unklaren Gründen entzogen worden, aber für Ron hat er was im Angebot: Peptid-T und eine Mischung aus allerlei Stärkungsmitteln sei milder als AZT und wirke besser. Ron schlägt ein, obwohl das Zeug arg teuer ist - und wittert das (wieder eine krumme Tour) große Geschäftsmodell: Er beginnt im Kofferraum (und der ist groß bei so einem amerikanischen Schlachtschiff) Medikamente nach Dallas zu schmuggeln. Eine Verkleidung als Pastor hilft dabei.

Zuhause gründet er den Buyers-Club, in dem die Mitglieder gegen Zahlung eines Monatsbeitrages kostenlos mit importierten, nicht zugelassenen mexikanischen Medikamenten versorgt werden - das sie sich selbst dann spritzen. Ungewohnt ist für unseren Helden nur, dass die Mehrzahl seiner Mitglieder sich aus der Schwulenszene rekrutieren. Da ist der Redneck echt gefordert, vor allem, als er aus Erwerbsstreben die Transe Rayon als Partnerin in Geschäft nimmt.
"Wenn es im Miami Buyers Club so viel billiger ist, dann soll er dahin gehen.
Wir sind hier nicht bei der Wohlfahrt". Ron macht Geschäfte
Es gibt noch allerlei Konflikte mit der Polizei, der FDA und den Ärzten im Krankenhaus, die aufgeschmissen sind, wenn 90% der Versuchsteilnehmer im Clincal Trial sich nebenher auch noch mit anderen Medikamenten versorgen - das macht die Auswertung nicht grade einfacher. Ron klaut Rezeptblocks, importiert aus Japan und den Niederlanden... Schließlich stirbt Rayon doch. Und Ron stirbt auch - sieben Jahre nach der Diagnose.

Wie war's:

Der Film ist eine berührende Komödie, und das ist schon eine Leistung. Ron ist nicht grade der super-sympathische Typ, aber er hat ein echtes, glaubwürdiges Problem. Die Umwandlung vom homophoben Ländler zum toleranten Menschenfreund ist halbwegs glaubhaft (obwohl man sich den guten Ron nicht sooo gut in der Bibliothek und bei den großen Geschäften in Japan vorstellen kann). Die Ärzte zeigen das ethische Dilemma, in dem die ganze Medizinindustrie steckt: sollen wir jede Wunderkur (ich sage nur "Magical Mineral Cure"- das Abflussfrei, das sich die Irren neuerdings als Einlauf verpassen) zulassen? Oder verlangen wir einen 1A klinische Wirksamkeitsbeweis im doppelt randomisierten multizentrischen Trial? Ist das Geschäftemachen mit der Gesundheit der Todkranken ok? Oder muss alles umsonst sein, auch wenn es dann gar keine Versorgung geben wird? Von mir also Daumen hoch für die Geschichte und die Denkanstöße. Glücklich bin ich auch darüber, dass das ganze Thema "Schwulendiskriminierung" nur im Film gewissermaßen mit dem Pflichteil abgefunden wurde, das ging mir bei "Philadelphia" so auf die Nerven.
Friendlys Schulnote: ein ZWEI, aber eine gute!
Rayon und Ron haben nicht grade einen guten Start miteinander.
Später wird er einen guten Bekannten vermöbeln, weil er ihr komisch gekommen ist.
Rätselfrage: Cristal Meth benötigt in einer Darstellungsvariante ein Medikament als Ausgangsbasis. Was ist das für ein Medikament?

Antwort der letzten Frage: Der Film war "El Cid" mit Charlton Heston und (das ist die Antwort) Sophia Loren. In der Legende des El Cid wird der tödlich verwundete Hauptmann in Valencia aufs Pferd gebunden und vertreibt bei einem Ausfall die belagernden Berber, die ihn eigentlich tod wussten.

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