Dies ist nicht Jennifer Lawrence bester Film (das ist
nämlich ‚Winters Bone‘) aber es ist ein sehr guter und sie ist eine sehr gute
Schauspielerin. Was den Film überraschenderweise besonders auszeichnet, ist,
dass man ihn (wie andere Klassiker auch) mehrfach sehen kann, ohne sich zu
langweilen. Ich komme auf drei, mein Sohn bereits auf sieben Vorführungen – in
dieser Beziehung wird der Film bei mir wird der Film nur von ‚Herr der Ringe‘
übertroffen, und das soll schon etwas heißen.
Katniss Everdeen: gehetzt und überfordert. Eigentlich typisch für das Alter, wären da nicht die 23 anderen, die ihr nach dem Leben trachten |
Worum geht’s?
Dystropische Zukunft: Nach einem Bürgerkrieg ist die Welt in
12 Distrikte aufgeteilt, die von einem Verwaltungszentrum, dem ‚Capitol‘
beherrscht werden. Als Symbol der Unterwerfung müssen die Distrikte je einen
Jungen und ein Mädchen im Alter zwischen 12 und 18 zu jährlichen
Gladiatorenspielen schicken. Die Spiele enden mit dem Tod aller Beteiligter mit
Ausnahme des Siegers.
Das Herrschaftssystem ist faschistisch orientiert: Das Wohl
der Volksgemeinschaft rechtfertigt die Unterdrückung der äußeren Distrikte, die
inneren Distrikte erhalten Privilegien wenn sie die Macht des Kapitols
anerkennen und nach außen sichern. In Distrikt 12, in dem die Heldin Katniss
zuhause ist, wird nach Kohle gegraben – der Distrikt ist ungefähr der letzte
und ärmste in der Reihe. Die Bewohner leben unter bedrängten Bedingungen,
arbeiten bei miserablem Arbeitsschutz und leiden Hunger.
Als ihre sanfte 12-jährige Schwester Primrose (Primel) für
die Spiele ausgelost wird (deren Überlebenswahrscheinlichkeit nach den ersten
zwei Minuten wohl rapide auf null gefallen wäre), meldet sich die 17-jährige,
jagt-erfahrene Katniss freiwillig als Ersatz für ihre Schwester. Von den Jungen
wird Peeta, der Sohn des Bäckers (Liebesgeschichte!) ausgelost.
Anders als auf dem sympathischen Film-Still ist Haymitch kein freundlicher Mentor: nachdem er über 40 Jugendliche in den Tod gecoached hat, vielleicht verständlich. |
Die beiden haben noch eine Viertelstunde für die
Verabschiedung, dann werden sie in Richtung Schnellzug geschubst und Richtung
Capitol gefahren. Zur Seite sollen ihnen eine Reihe von Stylisten, Coaches und
Mentoren stehen, an erster Stelle der einzige aus Sektor 12, der je die Kämpfe
gewonnen hat: Haymitch - jetzt ein desillusionierter Trinker und
Zyniker. (Überigens gespielt von Woody Harrelson, auch aus "Die Unfassbaren" und dem Tallahassee aus "Zombieland")
„Ich bin nur wegen der Erfrischungen hier“
Das Capitol erweist sich als arrogantes Machtzentrum mit
faschistoider Überwältigungsarchitektur und ihre Bevölkerung als fröhlich-hohlköpfige,
unterhaltungsbedürftige Masse. Katniss und Peeta werden von ihrer Crew in einem
Tempo fitgemacht, angemalt, enthaart, frisiert und eingekleidet dass ihnen
schier die Zeit zum Nachdenken fehlt. Auf eine Sache immerhin kommen sie: Es
können nicht beide gewinnen.
Mit Beginn des eigentlichen Kampfes ändert der Film seinen
erzählerischen Ton: war er in Distrikt 12 von Melodram und sozialrevolutionäre
Propaganda und im Kapitol von der Darlegung der Gruppendynamik Jugendlicher
dominiert, wird es jetzt ein knallharter „Töte oder werde getötet“ Knaller im
Stil von „Wounded“. Durch kluges Einteilen der Kräfte, die Hilfe zufälliger
Verbündeter und nicht zuletzt durch ein paar Goodies, die ihr Mentor Haymitch
ihr zukommen lassen kann, setzt sich Katniss gegen die anderen Kinder und
Jugendlichen und gegen die übelwollenden Spielorganisatoren in der Zentrale
durch.
Beim Showdown gelingt es Katniss und Peeta gemeinsam, den
letzten Gegner zu überwinden – nun stehen sie vor der Aufgabe, unter sich
auszukämpfen, wer von beiden stirbt und wer siegt und überlebt.
Effie Trinket ist auf ihre schrill-hysterische Art effizient und wohlmeinend. Katniss muss mit dem arbeiten, was sie hat. |
Katniss setzt die Regeln außer Kraft, indem sie ankündigt,
dass sie beide (auch als Konsequenz ihrer zumindest vorgespiegelten Liebe) gemeinsam in den Tod gehen
werden. Sie haben das Gift schon an den Lippen, da entscheidet
Spielleiter Seneca sich in der Wahl zwischen ’keinem‘ und ‚zwei‘ Siegern, beide
überleben zu lassen. Für diese, in den Augen des Diktator-Präsidenten Snow falsche
Entscheidung, wird er schließlich zum Selbstmord gezwungen.
Wie war’s?
Ein sehr guter Film, der auch beim Wieder-Schauen nichts von
seiner Wirkung verliert. Katniss verkörpert überzeugend eine Figur, die nur sehr schwer zu spielen ist: eine von den Ereignissen gesteuerte junge Erwachsene, die versucht, Verantwortung für die kleine Schwester und die
depressive Mutter zu übernehmen - eine Herausforderung der sie in keiner Weise gewachsen
ist. Misstrauisch, aggressiv, hart – gleichzeitig verletzlich und
bemitleidenswert, wenn sie Maske und Rüstung ablegt. Dabei kann man nicht
sicher sein, ob sich unter der Maske nicht eine zweite Maske verbirgt – spielt Katniss
nur ihre Karten so gut aus wie sie kann? Sind wir Zuschauer die manipulierten,
ebenso wie die geschminkten Narren im Publikum des Capitols?
Beim Schreiben fällt mir auf, dass die Rolle der Katniss Everdeen in „Tribute“
große Ähnlichkeiten zur Ree Dolly aus „Winters Bone“ hat: aus kleinen
Verhältnisse, von den Eltern allein gelassen, ein kleines Rad in den Plänen von
Erwachsenen, deren Motive zumindest zweifelhaft sind und die im Allgemeinen nicht
die Wahrheit sagen.
Der Kampf der Jugendlichen Jeder-gegen-Jeden ist spannend, die zeitweiligen Allianzen zur Ermordung der Mitspieler sind nur angedeutet aber (und da
unterscheidet sich der Film grundlegend von dem misslungenen „Maze Runner“) immerhin
glaubwürdig.
Mein Liebling unter den ambivalenten Figuren des Films ist
Showmaster Caesar Flickerman (gespielt von Stanley Tucci, das ist der liebenswerte
Chefdesigner aus „Der Teufel trägt Prada“ – noch was: er ist der Freund von
Emily Blunts älterer Schwester, und die hatte in „Edge of Tomorrow“ eine
Hauptrolle) . Die Rolle des Showmasters hätte leicht als zynischer Verderber
entlarvt werden können – stattdessen ist Flickerman der Freund und Helfer der jungen
Athleten und scheint aufrichtig unter den (unwidersprochen hingenommenen)
Verhältnissen, dass sie alle bis auf einen sterben werden, zu leiden. Caesar
Flickerman ist als der sympathische, kompetente, unkritische Mehr-als-Mitläufer
von nebenan absolut glaubwürdig dargestellt.
Caesar Flickerman wie er lacht und lebt: Der freundliche Onkel ist wirklich freundlich - das ist ja mal etwas neues in diesem Film. |
Mein Fazit: unbedingt ansehen, gerne auch mehrmals. Teil
zwei der vierteiligen Trilogie (das macht gelernten Informatiker immer wieder
fertig!) ist nicht ganz so gut, ich freue mich jetzt schon auf Teil drei, der
in einer Woche in die Kinos kommt.
Friendlys Schulnote: EINS-MINUS, ein bisschen auf der schwachen
Seite, weil in der Fülle der Kriegs- und Kampfhandlungen die Sozialkritik
unvermeidbar etwas kürzer ausgeführt werden musste. Aber das ist bei mir altersbedingt:
bin halt keine sechzehn mehr - da hätte mich das nicht gestört, und dann gibt
es ja auch noch „Winters Bone“ für mich.
Rätselfrage: Weshalb sind die Diener im Capitol keine Sprechrollen?
Antwort der letzten Frage: Das Metallica-Album war komplett
schwarz (weil ich das wusste, habe ich auf der Spielemesse ein Plektron
gewonnen) und Drummer Lars Ulrich war ein außerordentlich begabter Tennisspieler
(wie auch sein Vater). Er kam ursprünglich in die USA, um sein Spiel zu
perfektionieren, blieb dann aber doch bei den Drums und dem Hard Rock hängen.
Als kleines Goodie: Jennifer Lawrence hat uns einen kleinen Blick in ihre Wohnung gewährt. Er offenbart eine sympathische Unordnung und eine, sagen wir vorsichtig, nicht übertrieben durchgestylte Inneneinrichtung.
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