Montag, 2. Juni 2014

Der König der Fischer

Melodram und Mutmachfilm, überdrehte Irrenkomödie und Robin-Williams-Vehikel, dieser Film will alles auf einmal sein - und schafft es auch. Mal etwas persönliches: Was Augen ausweinen angeht, liegt der König der Fischer bei mir Sensibelchen auf dem zweiten Platz direkt hinter "Dogma". Warum ist das so? Später. Erst mal zur Handlung:

Worum geht's?

Radiomoderator Jack gibt im Nachtprogramm eine satanische Domian-Variante und rät am Telefon einem vereinsamten Irren, Amerika von den Yuppis zu säubern. Dieser tut wie ihm geheißen, betritt eine Bar mit der Repetierflinte und schießt sieben Menschen über den Haufen. Das wirft selbst den hart gesottenen Jack aus der Bahn: zwei Jahre später (cut) ist er Lebensgefährte/Bedienhilfe einer Videothekenbesitzerin (ja, so alt ist der Film schon) und verdient sich seinen Lebensunterhalt und den Frühstückswhiskey im Wesentlichen damit, dass er seine Freundin mit zynischen Sprüchen unterhält.
Der Gesichtsausdruck eines Menschen, der merkt, dass er für sieben Todesfälle verantwortlich ist
Es kommt der Tag, an dem er wirklich zuviel tankt und ihm dann einfach alles schiefläuft. Er beschließt, zu sterben. Jack steht betrunken, zerrissen und gossendreckig am bevorzugt fotogenen Selbstmörderplatz am Fluss unter der Manhattan-Bridge, an jedes Bein eine Gehsteigplatte gebunden, um seinem Leben ein Ende zu bereiten. Ein letzter Schluck aus der Schnapsflasche, da - nähert sich von hinten ein Pickup mit zwei jugendlichen Schlägern, die ihn stattdessen verprügeln, mit Benzin übergießen und anzünden wollen. 


Kann sich in einer Drehtür verirren: Lydia lebt eine eine kleine Phase seitwärts von den anderen
Pest oder Cholera? Jack wehrt sich, so gut das mit den Gehsteigplatten an den Füßen möglich ist (das geht nicht sehr gut), aber das Feuerzeug klickt bereits, als Rettung naht: Drei wirr wirkende Obdachlose hauen ihn mit irritierendem Gesang und geladenen Ärmeln (alte chinesische Kampftechnik) heraus, an der Spitze der überdrehte Parry. Die drei Zausel nehmen Jack mit auf eine Reise durch die dunkle Seite der Stadt - der Abend endet in Parrys Behausung im Heizungskeller des Miethauses, in dem der (wie sich herausstellt) ehemalige Uniprofessor mit seiner Frau gelebt hat, bevor der bereits im ersten Absatz erwähnte Irre eben diese Frau in der Yuppi-Bar von hinten durch den Kopf geschossen hat. 

Na Suuuper! Das zum Thema "Seine Schuldgefühle hinter sich lassen". Jack versucht Parry zu helfen und ihn sich gleichzeitig vom Hals zu halten. Das ist nicht leicht - die einzige Gegenleistung, die Parry fordert ist, dass Jack mit ihm auf die Suche nach dem heiligen Gral geht, dem legendären Kelch des letzten Abendmals, der sich überraschenderweise in der Schrankwand eines Milliardärs mit Wohnsitz in Manhattan befindet, was durch die Februarausgabe von "Innovative Architecture" dokumentiert wird...
Aufwachen im Central Park: 1991 war eine Übernachtung dort eher keine gute Idee
Jack weigert sich rundweg, an diesem Abenteuer teilzunehmen, unterstützt Parry aber darin, um die Liebe seines (neuen) Lebens, die linkische Buchhalterin Lydia, zu werben. Die unmögliche Kombination eines Obdachlosen und einer irgendwie leicht neben der Spur laufenden Maus in Tarnfarben greift gegen alle Wahrscheinlichkeit ineinander, Lydia verliebt sich beim ersten Date. Emotional durchgeschüttelt erleidet Parry auf dem Heimweg einen Flashback des Attentats auf seine Frau und verfällt in Katatonie.

(Ja, so wie ich die Story erzähle, klingt sie wirklich schräg. Ich glaube, das liegt daran, dass die Story schräg IST. Immerhin ist es eine Fusion von Gralslegende und Manhattan-Komödie.)

Parry liegt in der Nervenheilanstalt und wird von Lydia mit Liebe und buntem Bettzeug versorgt. Jack (und das ist jetzt wirklich eine rührende Szene) legt dem stumm daliegenden Parry auseinander, warum der Gral wirklich nichts zu dessen Heilung  beitragen könne und verspricht dann, das verdammte Ding zu holen - sei es auch das letzte, was er tue.
Double-Dating beim Chinesen: gleiche Tischsitten können die Basis einer wunderbaren Beziehung sein

Jack ist jetzt ein Mann mit einer Mission: mit Seil und Ankereisen erobert Jack nächtens das Anwesen der Milliardärs mit der Schrankwand. Dort findet er nicht nur den Kelch, sondern auch den Besitzer, der grade mit einer Überdosis im Sessel wegdämmert. 

So geht es am Ende allen wieder gut: der Milliardär wird gerettet, Parry bleibt wirr, aber wird wach mit dem Gral in der Hand und findet Lydia, Jack hat seinen Teil geleistet. 

Wie war's?

Hier tupft der Film an das Ende meiner emotionalen Skala und es fällt schwer, sachlich zu bleiben. Ich nehme an, man kann den Film prima sehr lieben oder sehr hassen, und ich liebe ihn. Wirklich gut ist: Alle Schauspieler sind top. Sogar Robin Williams, dessen überdrehte, irre Art mir eigentlich immer auf die Nerven geht, darf endlich einen überdrehten Irren spielen, und wer könnte das besser? Die verstrahlte Lydia ist die absonderlichste und irgendwie bemitleidenswerteste Person, die man sich vorstellen kann, und Jacks Darstellung eines rundherum miesen Tages ist einfach überzeugend.

Uuund: ist es nicht ergreifend, wenn ein Mann eine Aufgabe annimmt, die a) unmöglich, b) sinnlos und d) gefährlich ist, und das alles nur um einem Freund einen Gefallen zu tun?

Friendlys Schulnote: Eine EINS, aber nur für Leute geeignet, die im Leben schon einmal Gegenwind gespürt haben. Frei ab Siebzehn, Kinder werden ihn nicht verstehen.

Rätselfrage: Ein ziemlich guter Film endet damit, dass die Hauptdarstellerin einen Arm verliert (Nein, es ist nicht der "Krieg der Sterne"). Welches Genre mag das wohl sein?

Antwort der letzten Frage: Das war "Departed - unter Feinden" (als Remake von "Internal Affairs"). Regie: Martin Scorsese, Kamera: Michael Ballhaus





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