Montag, 14. Juli 2014

Mein Leben ohne mich

Wie traurig ist das denn: Die todkranke junge Mutter gibt die 18 Kassetten, die sie für die Geburtstage ihrer beiden Töchter besprochen hat, ihrem Arzt, weil: "Don würde sie wahrscheinlich verlieren, oder vergessen, oder er würde sie ihnen alle auf einmal geben". In der Schlusseinstellung öffnet der Arzt dann die Schachtel - allein, mit Andacht, in seinem leeren Büro. Ihr seht schon: kein Happy End diesmal.
Keine gute Nachrichten für Ann: Mit einem Eierstockkrebs ist nicht zu spaßen.

Ich bin darauf gekommen, "Mein Leben ohne mich" zu besprechen, weil er einige Dinge mit "Boyhood" teilt. Ich meine jetzt nicht, dass der Held über Jahre hinweg verfolgt wird - das ist doch eher Schnickschnack. Ich meine, dass eigentlich nichts weltbewegendes passiert, das nicht jedem irgendwann passiert. In "Boyhood": ein Junge wird groß. In "Mein Leben ohne mich": ein Frau stirbt. Trotzdem gefällt mit "Leben" ganz besonders, und für "Boyhood" brodelt mein Blut eher träge.Warum ist das so? Aber erst mal zum Inhalt:
Dr. Thompson kann seinen Patienten nicht in die Augen sehen - die Schwestern kichern schon.
Aber er hat Ingwerbonbons

Worum geht's?

Ann lebt mit ihren beiden Töchtern und ihrem Freund Don (Installateur für Swimminpools) in einem Trailer im Garten ihrer Mutter. Sie hat das erste Kind mit 17 bekommen, die Schule abgebrochen und putzt jetzt nachts in der Uni. Wegen Unterleibsbeschwerden geht sie zum Arzt. Das Bauchweh ist leider Eierstockkrebs, und der ist weit fortgeschritten, das Ende schon in Sicht. An Stelle intensiver Behandlung macht Ann einen Plan für ihr restliches Leben. Dazu gehört (neben einer neuen Frisur) auch Sex mit einem anderen Mann, und dass sich jemand anderer als Don in sie verliebt.

Eine zarte Liebesgeschichte mit dem trennungsverwundeten Landvermesser Lee, der in einer kahlen Wohnung lebt und auf Bücherstapeln sitzt, hilft, beide Ziele gleichzeitig zu verwirklichen.

Auch auf dem Plan steht, eine neue Frau für Don und für ihre Töchter zu finden. Grade noch rechtzeitig zieht in das Nachbarhaus die Krankenschwester Ann ein (sogar der gleiche Name! Don muss nicht umlernen), die von "Kinder" auf "Altenpflege" umsattelt, weil sie zu viel Liebe und Mitleid für die kranken Kinder hat und die professionelle Distanz nicht halten kann.
Habe ich geschnarcht? Nein. Du hast gesabbert.

Wie war's?

Ein schöner, leiser Film. Ja - es ist ein Melodram. Ich mag den Film trotzdem sehr und habe feuchte Augen, wenn ich ihn sehe. Vor allem deshalb, weil Ann die Dinge nimmt, wie sie sind und sich dem Schicksal mit großer Tapferkeit stellt. Sie kämpft einen hinhaltenden Abwehrkampf, den sie verlieren wird. Aber auf dem Weg dahin wird sie noch das eine oder andere zum Guten wenden. Da kann man wieder was lernen.

Ach, und ich hatte ja noch versprochen, den Unterschied zwischen "Boyhood" und "Leben" zu diskutieren: "Boyhood" verlässt sich für meinen Geschmack zu sehr auf den Echtzeit-Trick mit "Diesen Film habe ich 10 Jahre lang gefilmt". Die Story ist ziellos wie das Leben, aber von einem Film erwarte ich mehr als vom Leben - wie wäre es mit etwas dichterischer Raffung der Ereignisse? Mit Zuspitzung? Mit einer Form, die die Aussage unterstützt? Das alles hat "Leben", und deshalb ist es bei weitem der bessere Film.

Franklins Schulnote: EINS-Minus. Was mir nicht so gut gefallen hat war der Sidekick Amanda Plummer als diätsüchtiger Putzteufel. Sonst war alles tip-top.

Rätselfrage: Es gibt einen Film, in dem ein Vater erfolglos versucht, ein Hochbett aufzustellen. Bei welcher Firma ist dieser Vater beschäftigt?

Antwort der letzten Frage: Das war im Film "Jede Menge Kohle" von 1981, in dem der gebeutelte Held den gemeinsamen Hausrat stück für Stück gerecht aufteilt. Das Filmzitat, das möglicherweise einige Leute noch kennen, ist "Es kommt der Tag, da will die Säge sägen!". 


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